FENS 2015: 12th Nutrition Conference in Berlin

Rund 1 600 Teilnehmer aus fast 70 Ländern, 320 Vortragende sowie rund 1 300 Fachvorträge und -poster, das sind die Eckdaten der 12th European Nutrition Conference FENS 2015, die vom 20. bis 23. Oktober in Berlin stattfand.

Fünf Plenarvorträge griffen das Oberthema der Tagung – Ernährung und Gesundheit über die gesamte Lebensspanne – auf. Viele weitere Sessions demonstrierten die Vielfalt der Themen auf allen Gebieten der Ernährungsforschung. Von der gesundheitlichen Bedeutung der Gewürze bis hin zur personalisierten Ernährung, von aktuellen Aspekten der Mikrobiom-Forschung über neue Ansätze der Ernährungsbildung bis hin zu Konzepten nachhaltiger Produktion von Lebensmitteln für eine weiter wachsende Weltbevölkerung.

Anhand von Daten aus der Nurses‘ Health Study II zeigte Prof. Walter C. Willett, Harvard University, USA, die gesundheitlichen Vorteile des Austauschs von rotem Fleisch gegen pflanzliche Alternativen. Er unterstrich den großen Einfluss der Ernährungsweise auf Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes mellitus Typ 2. In seinem Vortrag und nochmals im Rahmen der Pressekonferenz (s. u.) sprach er auch die mögliche tumorfördernde Wirkung von Wachstumsfaktoren an, die in Frischmilch (nicht in verarbeiteten Milchprodukten) enthalten sind, bis zur abschließenden Einschätzung sieht er hier weiteren Forschungsbedarf. Er betonte auch, dass das Ernährungsverhalten der gebildeten und finanziell besser gestellten US-Amerikaner sich in den letzten Jahren deutlich verbessert habe, währende es bei bildungsferneren Schichten und Geringverdienern weiterhin große Defizite gebe.

Prof. Luis Alberto Moreno Aznar , University of Zaragoza, Spanien, ging auf die Ernährungssituation und das Ausmaß körperlicher Aktivität von Kindern in Europa ein. In seinem Vortrag wurde deutlich, wie unterschiedlich noch immer die Zufuhrempfehlungen für bestimmte Nährstoffe in verschiedenen Ländern Europas sind. Er betonte die Notwendigeit randomisiert kontrollierter Studien zum Zusammenhang von Nährstoffaufnahme/- status und Gesundheitszustand.

Prof. Ellen Blaa k, Maastricht University, Niederlande, fokussierte in ihrem Vortrag auf Effekte diätetischer Lebensstil-Interventionen zur Prävention chronischer Krankheiten und erläuterte mögliche Mechanismen einer Ernährungsumstellung und deren Auswirkungen auf die fermentative Bildung kurzkettiger Fettsäuren aus Ballaststoffen oder Effekte des Polyphenolgehaltes von Lebensmitteln.

Prof. Thomas Kirkwood, Newcastle University, Großbritannien, legte in seinem Vortrag den Fokus auf die Bevölkerungsgruppe der Hochbetagten und stellte Ergebnisse der 85+ Studie vor. Obwohl keiner der Studienteilnehmer frei von Gesundheitsbeeinträchtigungen war, viele sogar multimorbid, schätzten doch viele der Studienteilnehmer ihre Lebensqualität und -zufriedenheit mit „gut“ oder „sehr gut“ ein. Energierestriktion als Mittel zur Verlängerung der Lebensspanne ist eine in den Medien populäre Hypothese. Hier zog Kirkwood eher eine ernüchternde Bilanz: Viele der Ergebnisse aus Tierversuchen lassen sich nicht auf den Menschen übertragen – zwar reduzierte Energierestriktion die Anzahl der Todesfälle durch „altersassoziierte“ Beeinträchtigungen, nicht jedoch die Gesamtmortalität.

In seiner bereits 1997 vorgestellten disposable soma-Hypothese machte Kirkwood deutlich, dass es keine evolutionäre Selektion auf Langlebigkeit, v. a. nicht auf Gesundheit im Alter gibt, da in der freien Natur die überwiegende Zahl der Individuen jung – oft vor Erreichen des Fortpflanzungsalters – sterben. Kirkwood stellte gleichwohl heraus, dass gerade Ernährungsfaktoren großen Einfluss (positiven wie negativen) auf das Ausmaß der altersbedingten Schäden auf zellulärer und Organebene und damit auf die Lebensqualität und Lebensspanne des Menschen haben.

Prof. Tim Benton, University of Leeds, Großbritannien, ging auf Fehlentwicklungen im Konsum und der Verteilung der weltweiten Lebensmittel(LM-) produktion ein. Allein der Verlust an LM durch Verderb und Verschwendung in Europa und Nord-Amerika entspricht der gesamten LM-Produktion des afrikanischen Kontinents südlich der Sahara. Zudem könnten die weltweit eingesetzten Futter- (bzw. Lebens-)mittel ausreichen, um anstattdessen die gesamte asiatische Bevölkerung zu ernähren (ca. 4,4 Mrd. Menschen). Die Abhängigkeit der Weltbevölkerung von Ernteausfällen und/oder LM-Spekulation wird deutlich, wenn man bedenkt, dass rund 2/3 aller LM-Kalorien aus Weizen, Reis und Mais stammen. Unter dem Aspekt globaler Lebensmittelsicherheit sprach Benton sich für einen geringeren Fleischkonsum, einen Strukturwandel in der LM-Produktion und die Notwendigkeit sozialer Reformen in ärmeren Ländern aus.

FENS-Award an Prof. Elmadfa

Am Abschlusstag des Kongresses wurde Prof. Dr. Ibrahim Elmadfa, Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Ernährung (ÖGE) und früherer Präsident der IUNS in Anerkennung seiner umfassenden Forschungstätigkeit und seiner Verdienste um die internationale Anerkennung und Vernetzung der Ernährungsforschung mit dem FENS-Award ausgezeichnet.

Weitere Berichte zur FENS-Konferenz finden Sie auf S. M722 in diesem Heft sowie im aktuellen DGEinfo 12/2015.

Abstracts der Tagungsvorträge sind kostenfrei unter nachstehendem link verfügbar:
-> www.karger.com/Article/Pdf/440895



Kommentar: 

Eine spannende Session widmete sich dem Thema Wissenschafts-bashing, der Rolle industrieller Forschungsförderung und Interessenkonflikten. Wie kann industrielle Forschungsförderung genutzt und zugleich Einflussnahme vermieden werden? Denn ohne ausreichende Förderung ist Forschung nicht zu leisten. Zugleich ist der Kontakt zur Industrie auch für den gewünschten Praxisbezug von Forschung sinnvoll. Auch Hochschulen müssen sich klar sein, dass ein Großteil ihrer Absolventen später in der Lebensmittelindustrie tätig sein wird. Gute Kontakte sind also nötig, müssen aber klar offengelegt werden. Das Thema Interessenkonflikte in der Ernährungsforschung wird die Ernährungs Umschau daher in den kommenden Monaten verstärkt aufgreifen.



FENS Pressekonferenzen – einmal klassisch, einmal online

Ernährungsthemen sind „in“ und füllen Print- und Online-Medien. Von daher ist es erstaunlich, dass zur FENS-Pressekonferenz leider recht wenige Journalisten erschienen. Neben dieser klassischen Pressekonferenz beschritt man daher in Berlin Neuland: In einer als Lifestream veröffentlichten Online-Pressekonferenz stellten Referenten der Tagung zentrale Ernährungsaspekte mit ihren Auswirkungen auf die Gesundheit vor. Diese Form „unter Zeitdruck“ spornte die Referenten zu sehr komprimierten und hochinteressanten Statements an – Glückwunsch an die Veranstalter – und zeigte einen neuen Weg, Ernährungswissen aus erster Hand leichter an Multiplikatoren zu vermitteln.



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 12/15 auf den Seiten M678-M679.

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