Lebensmittelindustrie: Haltungsformkennzeichnung für tierische Erzeugnisse wird fünfstufig

Die im Lebensmitteleinzelhandel eingeführte vierstufige Haltungsformkennzeichnung für tierische Erzeugnisse wird fünfstufig. Die vierte Stufe der Siegel-Klassifikation wird nun aufgeteilt: Für „Bio“ soll es eine separate fünfte Stufe geben. Außerdem sollen die fünf Stufen jeweils neue Bezeichnungen erhalten, die denen der in Vorbereitung befindlichen verpflichtenden staatlichen Tierhaltungskennzeichnung entsprechen. Beide Kennzeichnungen können im Markt künftig parallel genutzt werden.

Die „Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH“ (Initiative Tierwohl) gab in einer Pressemeldung bekannt, dass die zurzeit schon im Lebensmittelhandel eingesetzte sog. Haltungsformkennzeichnung von vier auf fünf Stufen erweitert wird. Damit wird sie an die Anforderungskriterien aus dem staatlichen Tierhaltungskennzeichnungsgesetz (TierHaltKennzG) angepasst. Die Vorgaben aus der verpflichtenden Tierhaltungskennzeichnung sollen künftig in den jeweiligen Stufen der Haltungsform integriert werden. Die Änderungen sollen ab Sommer 2024 im Handel zu sehen sein.
Die Haltungsformkennzeichnung der Lebensmittelindustrie gilt für frisches Fleisch und verarbeitete Produkte von Schwein, Rind, Geflügel und Kaninchen. Darüber hinaus ist das Siegel auch auf Verpackungen von Milch und Milchprodukten zu finden. Die staatliche Tierhaltungskennzeichnung wird voraussichtlich erst im Sommer 2025 im Lebensmitteleinzelhandel zu finden und im ersten Schritt auf Schweinefleisch begrenzt sein. Die Lebensmittelindustrie sieht eine Anpassung der Tierhaltungskriterien für die Schweinehaltung in der Haltungsform an diejenigen der staatlichen Kennzeichnung zu Beginn desselben Jahres vor, damit beide Kennzeichnungen im Handel das gleiche bedeuten und damit nebeneinander genutzt werden können. Laut Robert Römer, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH, könne durch die Überführung des Siegels in die Fünfstufigkeit eine Verwirrung der Verbraucher*innen vermieden werden.

Quellen:
• Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH, Pressemeldung vom 23.01.2024. https://haltungsform.de/wp-content/uploads/20240118_PM_Erweiterung-der-Haltungsformkennzeichnung_FINAL.pdf (last accessed on 6 February 2024)
• Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V., Pressemeldung vom 22.01.2024. www.presseportal.de/pm/121716/5696704  (last accessed on 25 January 2024)

Über die Initiative Tierwohl:
Die „Initiative Tierwohl“ ist ein Zusammenschluss der Landwirtschaft, Fleischindustrie und des Lebensmitteleinzelhandels, das 2015 als Förderprogramm für Tierwohl in der Geflügel- oder Schweinefleischerzeugung gegründet wurde [1]. Seit 2022 bietet die Initiative auch die Teilnahme für Rinderhalter an [2]. Tierhalter in der Initiative Tierwohl erhalten von ihren Abnehmern eine Kostenkompensation für den Mehraufwand, den sie durch die Umsetzung der Tierwohl-Kriterien haben. Diese geben den Mehrpreis entlang der Wertschöpfungskette bis in den Handel und die Gastronomie weiter. Bei der Finanzierung wird zwischen den Tierhaltungsformen anhand spezifischer Kriterien unterschieden [3]. Diese Anforderungen umfassen jedoch allein Kriterien, die sich auf die Mast beziehen. Spezifische Kriterien für den Transport und die Schlachtung der Nutztiere gibt es nicht. Das Label wird oft in Verbindung mit der Haltungsformkennzeichnung des Handels abgebildet [4].

Literatur
1. Initiative Tierwohl: Über uns. https://initiative-tierwohl.de/initiative/ueber-uns/ (last accessed on 25 January 2024).
2. Initiative Tierwohl: Magazin. https://initiative-tierwohl.de/2022/02/25/rinderhalter-aufgepasst-initiative-tierwohl-jetzt-auch-fuer-rind/  (last accessed on 29 February 2024).
3. Initiative Tierwohl: Die Initiative Tierwohl. https://initiative-tierwohl.de/  (last acessed on 28 February 2024).
4. Bundeszentrum für Ernährung (BZfE): Tierwohl-Kennzeichnung. Fleisch aus artgerechter Tierhaltung? www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/tierwohl-kennzeichnung/ (last accessed on 25 January 2024).

Was unterscheidet die fünfstufige freiwillige Haltungskennzeichnung des Lebensmittelhandels von der gesetzlichen Haltungskennzeichnung?

Kommentar der Redaktion: (as) Die fünfstufige Haltungsformkennzeichnung wird von der Lebensmittelindustrie getragen und ist von der staatlichen Kennzeichnung klar abzugrenzen. Das staatliche TierHaltKennzG wurde vom Bundestag im Juni 2023 beschlossen und schafft die rechtliche Verpflichtung zur Kennzeichnung der Haltungsform bei Lebensmitteln tierischer Herkunft [1]. Schon 2019 führten einige Handelsketten eine freiwillige vierstufige Haltungskennzeichnung ein. Die erste Stufe entspricht nach TierHaltKennzG gesetzlichen Mindestanforderungen der Stallhaltung. Stufe vier, die nun aufgeteilt wird, konnte bisher biologische Erzeugung bedeuten, aber auch konventionelle Haltung war für diese Stufe erlaubt, wenn die Vorgaben eingehalten wurden [2]. Hier wich die staatliche Kennzeichnung stets ab: „Bio“ wird bei der staatlichen, verpflichtenden Kennzeichnung eine eigene Stufe sein, noch über „Auslauf/ Weide“.
Die neue fünfstufige Haltungsformkennzeichnung der Industrie impliziert noch keine Anpassung der Kriterien der Haltungsformen an die staatliche Kennzeichnung. Weiterhin ist die staatliche Regelung umfassender als die Haltungskennzeichnung, denn sie betrifft seit dem 1. Februar 2024 auch nicht vorverpacktes Fleisch und somit zusätzlich unverarbeitetes Fleisch, das z. B. in der Fleischtheke angeboten wird [3]. Die Außer-Haus-Verpflegung (AHV) ist von der Herkunftskennzeichnungspflicht bisher nicht betroffen. Das Bundeslandwirtschaftsministerium erwägt jedoch künftig auch, diese zur Angabe der Fleischherkunft zu verpflichten.
Fazit: Bis die verpflichtende Tierhaltungskennzeichnung für alle Tierarten, Verarbeitungsformen und Vertriebswege eingeführt sein wird, wird es wahrscheinlich noch dauern. Bis dahin gilt: Wer Fleisch aus artgerechter Tierhaltung kaufen möchte, muss sich selbstständig umfassend informieren und die Standards von Tierschutz- Siegeln kritisch hinterfragen.

Literatur
1. BMEL: Weg frei: Die Tierhaltungskennzeichnung kommt. www.bmel.de/DE/themen/tiere/tierschutz/tierhaltungskennzeichnung/tierhaltungskennzeichnung.html  (last accessed on 6 February 2024).
2. BZfE: Tierwohl-Kennzeichnung. Fleisch aus artgerechter Tierhaltung? www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/orientierung-beim-einkauf/tierwohl-kennzeichnung/  (last accessed on 25 January 2024).
3. Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e. V.: Neue Kennzeichnungspflicht an der Fleischtheke. www.presseportal.de/pm/121716/5696704  (last accessed on 25 January 2024).



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 3/2024 auf den Seiten M126 bis M127.

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