Gemeinschaftsverpflegung: Bio und vegan passen gut zusammen

Der Trend zu veganer Ernährung hat in der Bio-Branche eine große Produktvielfalt hervorgebracht. Im Jahr 2016 stammten über 70 % der veganen Produktneuheiten aus ökologischer Erzeugung. Und auch in der Gastronomie hat sich viel getan: Nach Angaben des Vereins ProVeg gab es 2019 in Deutschland 250 rein vegane Restaurants. Dennoch gibt es noch viel zu tun, bis vegane Bio-Gerichte in der Außer-Haus-Verpflegung zur Normalität geworden sind. Vor diesem Hintergrund untersuchte ein interdisziplinäres Team der Universität Kassel und des Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) das Potenzial veganer Bio-Produkte für die Bio-Branche und den Außer-Haus-Markt.

Im Zuge des BÖLN-Forschungsprojekts befragte die Oecotrophologin und Bio-Verpflegungsexpertin Anja Erhart vom FiBL VertreterInnen aus der Gemeinschaftsverpflegung. Darüber hinaus führten AgrarmarktexpertInnen der Universität Kassel unter rund 500 KundInnen mit verschiedenen Ernährungsstilen eine Umfrage durch. Finanziert wurde die Studie1 durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN).

Veganer Ökolandbau ist erklärungsbedürftig
Laut Umfrage kennen längst nicht alle VerbraucherInnen die Unterschiede zwischen veganen und herkömmlichen Bio-Anbauverfahren. Nur jede/r zweite Befragte wusste, dass im Ökolandbau mit Hornspänen gedüngt wird, unter den FleischesserInnen waren es nur gut 30 %. Dass auch in der Bio-Landwirtschaft der Kartoffelkäfer getötet wird, das war – unabhängig vom Ernährungsstil – immerhin für rund 40 % neu.

Die befragten VerbraucherInnen fanden vegane Produkte tendenziell zu teuer. Dennoch waren viele von ihnen bereit, für diese mehr auszugeben. Für vegane Öko-Schokolade waren es 85 % der VeganerInnen und fast ebenso viele VegetarierInnen. Bezugsgröße war der mit 1,20 € je 100 g angegebene Preis für die nicht vegane Öko-Variante. VeganerInnen würden die vegane Qualität im Schnitt mit einem Aufschlag von 1,02 € honorieren. Für veganen, also nicht mit Gelatine geschönten, Öko-Wein2 würden FlexitarierInnen im Schnitt 5,36 € zahlen und VeganerInnen 5,84 €. Mit 4 € pro 0,75 L lag der Vergleichspreis für herkömmlichen Bio-Wein deutlich darunter. Besonders ausgeprägt war die Mehrzahlungsbereitschaft für Lebensmittel aus veganem Öko-Landbau: Wer sich vegan ernährt, würde für vegan angebaute Bio-Kartoffeln und Bio-Salate im Durchschnitt rund 65 % mehr zahlen als für die herkömmlichen Bio-Varianten (Vergleichspreise: Bio-Kartoffeln: 1,40 €/kg, Bio-Salatkopf: 1,20 €). Und selbst bei den FleischesserInnen fiel die mittlere Mehrzahlungsbereitschaft mit 57 Cent für Salat und 63 Cent für Kartoffeln noch relativ hoch aus.

Mit Veggie-Speisen Impulse setzen
Der vegane Trend strahlt auch in den Außer-Haus-Markt aus. So spielt die Gemeinschaftsgastronomie eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, das Essverhalten der KonsumentInnen zu prägen und zu verändern. Mit veganen Speiseangeboten in Bio-Qualität können Restaurants oder Kantinen ihr nachhaltiges Profil schärfen und so gezielt umwelt- und gesundheitsbewusste Gäste ansprechen. Noch dazu kann der Außer-Haus-Markt durch eine verstärkte und kontinuierliche Abnahme regionaler, veganer und ökologischer Lebensmittel Schritte zu einer nachhaltigen Landwirtschaft anstoßen.

Anja Erhart rät den Betrieben der Gemeinschafts- und Individualverpflegung (ohne Systemgastronomie) zu einer qualitäts- und innovationsorientierten sowie kundenorientierten Wettbewerbsstrategie. Dafür bringen gerade größere eigenbewirtschaftete Gemeinschaftsverpflegungsbetriebe und ein Teil der Individualgastronomie gute Voraussetzungen mit, denn sie zeichnen sich durch eine hohe Innovationskraft aus und können meist frei und sehr flexibel auf Trends reagieren.

Wer mit dem Einsatz veganer Bio-Menükomponenten beginnt, sollte die Gäste zunächst über den Geschmack von deren Mehrwert überzeugen, so Anja Erhart: „Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sie die fleischlose Option gut annehmen und Nicht-Veganer durch die Auslobung ,vegan‘ nicht abgeschreckt werden.“ Statt einer offensiven Kennzeichnung veganer Angebote rät die Bio-Verpflegungsexpertin zu dezenten Hinweisen oder zu einer Vegan-Auslobung im Zuge der Allergenkennzeichnung. Außerdem sei es sinnvoll, vegane Gerichte in den allgemeinen Menüplan einzubinden und frei wählbare Menükomponenten im Freeflow-System anzubieten. Das würde Gästen den Schritt erleichtern, vegane Gerichte auszuprobieren.

Für die geringe Bedeutung veganer Bio-Speisen machten die in dieser Studie befragten KüchenleiterInnen und ExpertInnen das fehlende Angebot an veganen Convenience- sowie Rohprodukten in Öko-Qualität und in der erforderlichen Gebindegröße verantwortlich. Nach Ansicht der Bio-Verpflegungsexpertin kommt hinzu, dass das Kochen mit veganen Komponenten noch kein fester Bestandteil der Berufsschulausbildung für angehende Köchinnen und Köche sei. Defizite gebe es bei der Zubereitung veganer Speisen und beim Austausch von Milchprodukten durch vegane Zutaten wie etwa Sojaprodukte oder Nüsse. Deshalb plädiert die Ernährungsexpertin dafür, die Kompetenz der Köchinnen und Köche im Einsatz von veganen Lebensmitteln zu stärken.

Nina Weiler, Karlsruhe

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1 Der offizielle Titel des BÖLN-Forschungsprojekts lautet: „Die Bedeutung veganer Bioprodukte für die ökologische Landwirtschaft“, Schlussbericht: https://orgprints.org/37310/
2 Es gibt auch Weine, die ohne Auslobung vegan sind; v. a. Rotweine werden teilweise nicht mehr geschönt.



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2020 auf Seite M253.

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