Korrelation und Kausalität: Ergebnisse von Kohortenstudien gleichen denen von Interventionsstudien

Ein Großteil unseres Wissens über den Zusammenhang von Ernährung und Gesundheit stammt aus Kohortenstudien. Die haben in der Wissenschaft allerdings nicht den besten Ruf. Möglicherweise zu Unrecht, wie eine aktuelle meta-epidemiologische Analyse zeigt, die die Ergebnisse von Kohortenstudien mit denen von randomisierten kontrollierten Interventionen im Ernährungsbereich vergleicht [1]. Die Ergebnisse dieser Studie sind von Bedeutung für die Erforschung von Zusammenhängen zwischen Ernährung und vielen Volkskrankheiten.

Kohortenstudien
Eine suboptimale Ernährung gilt als wichtiger Faktor für die Entstehung von chronischen Krankheiten wie Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die internationale Forschungsinitiative Global Burden of Disease geht davon aus, dass sich rund 15 % der dadurch verlorenen gesunden Lebensjahre und jeder fünfte Todesfall weltweit auf eine nicht optimale Ernährung zurückführen lassen.
Unser Wissen über solche Zusammenhänge basiert zu weiten Teilen auf wissenschaftlicher Evidenz aus Kohortenstudien. Studien dieses Typs verfolgen Gruppen von ProbandInnen (sog. Kohorten) über einen langen Zeitraum, in dem die Teilnehmenden regelmäßig untersucht und nach ihren Ernährungsgewohnheiten befragt werden. Dadurch lassen sich mögliche statistische Zusammenhänge zwischen bestimmten Ernährungsgewohnheiten (z. B. hohem oder niedrigem Obstkonsum) und wichtigen Endpunkten wie dem Krebsrisiko feststellen.

RCTs
Doch eine statistische Korrelation ist noch kein ursächlicher Zusammenhang. Deshalb ist die Aussagekraft von Kohortenstudien unter WissenschaftlerInnen umstritten. Als wesentlich zuverlässiger gelten randomisierte kontrollierte Studien (RCTs). In einer typischen RCT werden die Studienteilnehmenden nach dem Zufallsprinzip (randomisiert) in zwei möglichst ähnliche zusammengesetzte Gruppen aufgeteilt: Die eine Hälfte erhält die sog. Intervention, z. B. ein Vitaminpräparat, die andere Hälfte ein äußerlich identisches Scheinpräparat ohne Wirkstoff (Placebo) oder eine andere Kontrollbehandlung. Im Idealfall wissen während der Studie weder Behandelnde noch Behandelte, wer zu welcher Gruppe gehört (doppelte Verblindung).
RCTs gelten v. a. in der Medizin als wissenschaftlicher Goldstandard. Doch in der Ernährungsforschung sind sie oft nur schwer umsetzbar: Um Langzeiteffekten wie einem ernährungsbedingt veränderten Krebsrisiko auf die Spur zu kommen, müssten Studienteilnehmende ihre Ernährung über Jahre hinweg umstellen. Selbst wenn man sie dazu bringen kann, sind solche Langzeit- RCTs aufwändig und teuer.

Vergleich
„Umso wichtiger ist es zu verstehen, wie sehr sich die Ergebnisse von RCTs und Kohortenstudien wirklich unterscheiden und welche Faktoren dafür eine Rolle spielen. Ebendies ist die große Frage unserer eben im British Medical Journal erschienenen Arbeit“, sagt Erstautor PD Dr. Lukas Schwingshackl vom Institut für Evidenz in der Medizin am Uniklinikum Freiburg. „Mit dieser Meta-epidemiologischen Arbeit betreten wir weitgehend Neuland. Dass die Ergebnisse von Beobachtungsstudien und RCTs zu manchen Fragestellungen nicht übereinstimmen, ist bekannt. Ebenso gibt es Beispiele, in denen beide Studientypen recht ähnliche Ergebnisse zeitigen. Aber bisher hat noch niemand versucht, systematisch den Grad der Übereinstimmung über viele Themen hinweg zu bestimmen und herauszufinden, welche Faktoren für eine gute oder schlechte Übereinstimmung entscheidend sind.“
Für seine Studie suchte das Forschungsteam nach systematischen Übersichtsarbeiten, welche die Evidenz zu Zusammenhängen zwischen Ernährungsfaktoren und gesundheitlichen Risiken zusammenfassen. Für RCTs nutzten sie dafür wegen ihrer besonders hohen methodischen Standards die systematischen Reviews von Cochrane. Reviews, welche die Evidenz aus Kohortenstudien zusammenfassen, fanden sie in der Publikationsdatenbank MEDLINE. Am Ende konnten sie Ergebnisse aus beiden Studientypen zu 97 Fragestellungen systematisch miteinander vergleichen.

Das Ergebnis:
In der Gesamtbetrachtung stimmen die Ergebnisse aus RCTs und Kohortenstudien weitgehend überein. So zeigen RCTs, die bspw. die gesundheitlichen Effekte einer mediterranen Ernährungsweise untersuchten, ähnlich günstige Ergebnisse wie Kohortenstudien, die dieses Ernährungsmuster untersuchten. Größere Abweichungen zwischen den Ergebnissen beider Studientypen ließen sich zumeist auf Unterschiede in der genauen Fragestellung zurückführen.
Die größten Unterschiede fielen auf, wenn RCTs den Effekt von Nahrungsergänzungsmitteln, bspw. Vitamin-D-Präparaten, untersuchten, während die entsprechenden Kohortenstudien den Vitamin-Status im Blut maßen.
„Die Ergebnisse unserer Arbeit sind wichtig, um Evidenz aus RCTs und Kohortenstudien künftig angemessen zusammenführen und so weltweit eine bessere Evidenzgrundlage für Ernährungsleitlinien liefern zu können“, sagt Schwingshackl. Allerdings habe die Arbeit auch Limitationen. So gebe es zu vielen Fragestellungen (z. B. „Welchen Einfluss hat ein hoher Obstkonsum Jahrzehnte später auf das Krebsrisiko?“) schlicht keine RCTs, sondern nur Daten aus Kohortenstudien. „In wie weit man die von uns gefundene gute Übereinstimmung auch auf solche Fragen übertragen kann, ist offen.“

Literatur
1. Schwingshackl L, Balduzzi S, Beyerbach J et al.: Evaluating agreement between bodies of evidence from randomised controlled trials and cohort studies in nutrition research: meta-epidemiological study. BMJ 2021; 374: n1864.

Quelle: Institute for Evidence in Medicine (for Cochrane Germany Foundation), Pressemeldung vom 15.09.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2021 auf Seite M570.

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