Deutsche Diabetes Gesellschaft: Neue Ernährungsempfehlungen bei Diabetes Typ 2

Wer adipös ist, noch nicht sehr lange an Diabetes leidet und 15 kg seines Gewichts reduziert, kann seinen Zuckerstoffwechsel stark normalisieren und sogar zeitweise ohne Medikamente auskommen. Das ist eine zentrale Aussage in den aktualisierten Praxisempfehlungen der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes [1]. Weitere wichtige Neuerungen: Strenge Vorgaben für die Mengenaufnahmen von Fett, Kohlenhydraten und Protein sind überholt – stattdessen können Betroffene gesunde Ernährungsmuster wählen, die ihren Vorlieben entsprechen.

Low-Carb, Low-Fat oder Formula- Diät: Abnehmstrategie an individuellen Vorlieben ausrichten
Low-Carb, Low-Fat oder Formula-Diät: Abnehmstrategie an individuellen Vorlieben ausrichten

Ernährungsformen
Empfehlenswert zur Gewichtsabnahme sind Formula-Diäten, Low-Carb- und Low-Fat-Ernährung sowie Intervallfasten. Mit dem Ergebnis, dass genaue Verzehrvorgaben für einzelne Makronährstoffe wie Kohlenhydrate, Fett und Protein entfallen; auch die Maßgabe, bei eingeschränkter Nierenfunktion weniger Protein zu essen, ist überholt. „Die Empfehlungen zur Gewichtsreduktion und Ernährungsweise bei Diabetes Typ 2 sind insgesamt unkomplizierter und individueller“, freut sich DDG-Präsident Professor Dr. med. Andreas Neu.
Über das nordische Ernährungsmuster, die makrobiotische Ernährung, die DASH- und Paleo-Diät konnten die ExpertInnen keine Aussagen treffen. „Zu diesen relativ neuen Ernährungstrends liegen noch zu wenige Studien vor“, erläutert Prof. Dr. Diana Rubin, die als Vorsitzende des Ausschusses Ernährung der DDG federführend an der Neuerstellung der Praxisempfehlungen beteiligt war.
Generell gelte: „Wer unverarbeitete, naturbelassene Lebensmittel zu sich nimmt, liegt richtig“, fasst Rubin zusammen. Darüber hinaus sollten Kohlenhydrate bevorzugt in Form von Vollkornprodukten, stärkearmen Gemüsesorten, Hülsenfrüchten und Nüssen verzehrt werden. „Hafer enthält besonders gesunde Kohlenhydrate, die günstig auf den Blutzuckerspiegel wirken“, so Rubin. Süssstoff in üblichen Mengen ist unbedenklich, zuckerarmes Obst besonders im Hinblick auf den Ballaststoffgehalt empfehlenswert und mäßiger Alkoholkonsum mit einer guten Stoffwechseleinstellung vereinbar.

Entscheidend: früher Start
Im Mittelpunkt der neuen Empfehlungen steht die Erkenntnis, wonach bei Adipositas durch eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 kg grundsätzlich eine vollständige Remission des Diabetes möglich ist. „Die DiRECT-Studie aus England zeigt, dass 86 % der Personen, die tatsächlich eine Gewichtsreduktion von mindestens 15 kg erreicht hatten, eine Diabetesremission erfuhren“, berichtet Rubin. „Voraussetzung war eine Diabetesdauer von nicht länger als sechs Jahren.“
Um dieses Ziel zu erreichen, können Abnehmwillige prinzipiell unter verschiedenen Methoden wählen. „Wir haben in der Literatur sehr gute Effekte bspw. für Low-Carb gefunden, eine kohlenhydratarme Ernährungsform“, so Rubin. Low-Fat-Diäten seien zumindest mittelfristig in der Wirkung ebenbürtig. „Soll keine bestimmte Diät eingesetzt werden, so sind für das Diabetesmanagement mediterrane, vegetarische oder vegane Ernährungsmuster gleichermaßen geeignet“, fügt die Ernährungsmedizinerin hinzu. Auch Intervallfasten könne unter ärztlicher Überwachung zur Gewichtsreduktion eingesetzt werden. „Entscheidend ist, dass die Abnehmstrategie zu den Präferenzen der übergewichtigen Person passt und nachhaltig im Alltag umgesetzt werden kann“, so Rubin.
Zu raschen, hohen Gewichtsverlusten mit dem Resultat einer Diabetesremission führen nachweislich auch Formula-Diäten, die mit einem Mahlzeitenersatz arbeiten, meist in Pulverform. Eine große Studie belegt: Nahezu die Hälfte der übergewichtigen DiabetespatientInnen, die zunächst über 3–5 Monate eine Formula-Diät mit 825–852 kcal pro Tag einhielten, erzielte eine Remission. „Die Remission dauerte teilweise länger als zwei Jahre“, berichtet Rubin.
Ist keine Ernährungsform wirksam, sind bariatrische Operationen ebenfalls sehr erfolgreich, um eine Diabetesremission herbeizuführen.

Schnelles Spazieren nach dem Essen
Regelmäßige körperliche Aktivität auch mit geringer Intensität – etwa zügigeres Gehen nach den Mahlzeiten – verbessert die Körpergewichtsregulation. „Schnelles Spazierengehen nach dem Essen hilft definitiv beim Abnehmen“, betont Rubin.

Fazit
Insgesamt, rät das Expertengremium, müsse die Ernährungstherapie stark auf die jeweilige Person abgestellt werden. „Es bietet sich an, die individualisierte Ernährungsberatung intensiver zu nutzen – ob in der Sprechstunde, per Mail oder Telefonie“, so Rubin. Auch eine App, die von fachkundigen ExpertInnen geprüft wurde und auf Rezept erhältlich ist, könne hilfreich sein. „In jedem Fall sollte möglichst früh eine Therapie angeboten werden“, betont Rubin.

Literatur
1. Skurk T et al.: Empfehlungen zur Ernährung von Personen mit Typ-2-Diabetes mellitus. Diabetologie und Stoffwechsel 2021; 16 (Suppl 2): S255–89.

Quelle: Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG), Pressemeldung vom 20.12.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2022 auf Seite M62.

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