Ernährungstrends: Insekten als Lebens- und Futtermittel

Die deutschen Medien berichteten in den vergangenen Jahren zum überwiegenden Teil positiv über Insekten als zukunftsweisende, nachhaltige Nahrungsquelle, da im Vergleich zu Fleisch die ökologischen, ökonomischen, physiologischen und ethischen Vorteile überwiegen sollen. Da bisher jedoch kaum Untersuchungen zur toxikologischen und mikrobiologischen Sicherheit von Insekten vorliegen, veranstaltete das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) am 24. Mai 2016 in Berlin das Symposium „Insekten als Lebens- und Futtermittel – Nahrung der Zukunft?“.

Nach Schätzung der Food and Agriculture Organization (FAO) werden weltweit mehr als 1 900 Insektenspezies verzehrt; in Europa sind jedoch bisher weder Verzehr noch Verwendung als Futtermittel üblich. Insekten zählen in der EU lebensmittelrechtlich zu den neuartigen Lebensmitteln. Aktuell wird die Mehrheit der weltweit verzehrten Insekten der Natur entnommen, zur Nutzung als Lebens- oder Futtermittel wird jedoch eine industrielle Zucht unter kontrollierten Bedingungen angestrebt. Hier besteht erheblicher Forschungsbedarf bezüglich der technologischen Aufbereitungs- und Verarbeitungsschritte und der toxikologischen, mikrobiellen und hygienischen Sicherheit. Auch das mögliche allergene Potenzial ist zu untersuchen.

Insekten gelten als ernährungsphysiologisch günstige Nahrungsquelle. Viele sind reich an hochwertigen Proteinen (Proteingehalt: 35–77 %) und werden daher auch als Alternative zu importierten Proteinfuttermitteln, wie z. B. Soja, diskutiert. Der durchschnittliche Fettgehalt essbarer Insekten liegt bei 13–33 %, ihr Energiewert ist vergleichbar mit Fleisch. Darüber hinaus enthalten sie Ballaststoffe und – je nach Spezies – eine Vielzahl von Mineralstoffen und Vitaminen. Ihnen wird daher insb. für die Zukunft der Welternährung eine wichtige Rolle beigemessen.

Die Umweltbilanz der Insektenproduktion wird als günstig angesehen, da sie als wechselwarme Tiere weniger Energie als klassische Nutztiere benötigen. Ihre Futterverwertungseffizienz wird dadurch als höher und die CO2-Bilanz als günstiger eingeschätzt als bei der Fleischerzeugung mit warmblütigen Nutztieren. Auch unter ethischen und Tierschutzaspekten gelten Haltung und Verzehr von Insekten als weniger problematisch.

Laut zwei repräsentativer Studien des BfR akzeptiert die Mehrheit der Deutschen Insekten als Futtermittel. Bei der Akzeptanz als Lebensmittel dagegen sind die Befragten geteilter Meinung. Als Vorteil wird v. a. der hohe Proteingehalt, als Nachteil die individuelle Ekelbarriere genannt. Die Mehrheit vermutet keine gesundheitlichen Risiken, würde Insekten aber dennoch nicht essen. Die Akzeptanz von Insekten als Lebensmittel würde laut Studie steigen, wenn diese durch Verarbeitung unkenntlich gemacht würden und mehr Informationen, insb. zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit, vorlägen.

Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Pressemeldung vom 24.05.2016



(stg) Sind Insekten als Wirbellose tatsächlich eine ethische Alternative zu anderen Fleischprodukten? Veganer sehen dies sicher nicht so. Sind sie ein gesünderes, nachhaltigeres Mastfuttermittel für unsere Hochleistungs-Nutztiere als Soja und Co.? Darüber muss sicherlich auch diskutiert werden. Zudem: Welche Nutztiere sollen Insekten als Futtermittel bekommen? Hoffentlich nicht pflanzenfressende Kühe. Und widerspricht die vom Esser quasi unbemerkte Beimischung von „unkenntlich gemachten“ Insekten nicht dem Trend eines mündigen Verbrauchers, der wissen will, was er isst?

Kritisch sind zudem folgende Punkte zu sehen: Im Zuge der Diskussion um Insekten als Lebensmittel wird stets das Argument „Welternährung“ vorgebracht. Was in Teilen der Welt aber kulturell verankert und für eine bessere Ernährung sinnvoll sein mag, ist in Deutschland eigentlich nicht notwendig: Protein ist hierzulande, selbst bei vegetarischer Ernährung, kein limitierender Faktor – eher verzehren wir zu viel davon. Es besteht so gesehen also gar keine Notwendigkeit, neue tierische Proteinquellen zu erschließen. Warum also etwas forcieren, was bei uns nicht notwendig und darüber hinaus kulturell nicht verankert ist und wozu es gute Alternativen gibt wie bspw. Hülsenfrüchte? Die FAO hat dieses Jahr ein Hülsenfrüchte-Kochbuch herausgebracht und erklärt 2016 zum „Internationalen Jahr der Hülsenfrüchte“. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fährt seit Jahren eine Eiweißpflanzenstrategie zur Wiederbelebung heimischer Leguminosen. Vor diesem Hintergrund scheinen zumindest in Mitteleuropa die Gelder, die in Marketingbemühungen zur Akzeptanzsteigerung von Insekten als Lebensmittel gesteckt werden, an anderer Stelle besser eingesetzt.


Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 07/16 auf Seite M380.

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