Lebensmittelbiotechnologie: Fleischersatzprodukte aus Pilzmyzel

Vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte basieren meist auf Soja (Tofu) oder Weizen (Seitan), einige auch auf Speisepilzmyzel, das im Fermenter kultiviert wird (z. B. Quorn™). Prof. Dr. Martin Rühl und Prof. Dr. Holger Zorn vom Institut für Lebensmittelchemie und Lebensmittelbiotechnologie der Universität Gießen haben beschrieben, wie dieses Pilzmyzel hergestellt wird [1].

Alternativ zur Produktion von Pilzfruchtkörpern zum direkten Verzehr wie Champignons oder Seitlinge werden die Pilze zur Herstellung von Eiweißprodukten in Bioreaktoren (Fermentern) kultiviert. So entstehen kleine Myzelkügelchen („Pellets“). Als Substrate dienen eine Kohlenstoffquelle (z. B. Glukose), eine Stickstoffquelle (z. B. Ammoniumsalze) und Mineralstoffe. Die gebildete Biomasse hat einen Proteingehalt in der Trockenmasse von ca. 44 %.

Bereits Ende der 1960er Jahre wurde ein Verfahren zur biotechnologischen Produktion von Pilzproteinen („Mykoprotein“) auf Basis des Schimmelpilzes Fusarium venenatum entwickelt. Der Pilz wächst unter aeroben Bedingungen; pro Woche werden so mehrere Tonnen Mykoprotein erzeugt. Unter dem Handelsnamen Quorn™ werden die Produkte, i. d. R. nach Zusatz von Hühnerei- und/oder Milchproteinen, vertrieben.

In aktuellen Forschungsprojekten wird daran gearbeitet, proteinreiche Pilzmyzelien auf Basis von Basidiomyceten wie Shiitake oder Seitlingen zu produzieren. Als Substrate dienen sog. Nebenströme der Lebensmittelindustrie, bspw. Apfeltrester, Treber oder Melasse, die sowohl Mineralstoffe als auch Kohlenstoff und Stickstoff bereitstellen. Bei der Kultivierung von Seitlingen auf Reststoffströmen werden Myzelkügelchen mit einem Proteinanteil in der Trockenmasse von ca. 25 % erzeugt. Wie bei den Fruchtkörpern wird die biologische Wertigkeit des Myzelproteins v. a. durch die schwefelhaltigen Aminosäuren, die im Vergleich zum Hühnerei in geringeren Konzentrationen vorkommen, begrenzt. Anders als bei Quorn™ erlauben die technofunktionellen Eigenschaften des gebildeten Proteins jedoch die Weiterverarbeitung nicht nur zu vegetarischen, sondern auch zu veganen Lebensmitteln.

Eine kurze Belichtung des Myzels mit UV-B-Licht führt darüber hinaus zur Bildung von Vitamin D2 aus dem Vorläufermolekül Ergosterol. In Abhängigkeit von der Belichtungsdauer werden dabei bis zu 50 μg Vitamin D2/g Pilztrockenmasse gebildet.

Literatur: 1. Rühl M, Zorn H (2016) Speisepilze – wertvolle Lebensmittel seit der Steinzeit. Nutritive und pharmakologische Eigenschaften, Kultivierung und Nutzen für die Entwicklung veganer Lebensmittel. Wissenschaftlicher Pressedienst (WPD) Moderne Ernährung Heute Nr. 3 (Mai 2016)



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 07/16 auf Seite M383.

Das könnte Sie interessieren
Medienumschau 4/2024 weiter
Social Media und der Einfluss auf die Gesundheitskompetenz weiter
Hochschule Osnabrück entwickelt Handlungsempfehlungen gegen Lebensmittelverschwendung weiter
Globale Ernährungswende würde Gewinne in Höhe von mehreren Billionen US-Dollar erzielen weiter
Wirkung von Ballaststoffen auf die Gewichtsreduktion weiter
Folsäure kann angeborene Fehlbildungen verhindern weiter