Kommentar zur LipiDiDiet-Studie von SOININEN et al. (2017): Trinknahrung zur Behandlung von Alzheimer im Frühstadium?

SOININEN et al. berichten in ihrem Artikel in Lancet (2017) Details zu den Ergebnissen der zweijährigen LipiDiDiet-Studie.

Die Studie

Die Wissenschaftler/-innen testeten in der Studie die Effekte der Trinknahrung Souvenaid an Patienten im prodromalen Stadium der Alzheimerschen Krankheit (AD) im Vergleich zu einer isokalorischen Kontrolllösung [1]. Souvenaid ist ein diätetisches Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke zur diätetischen Behandlung der Alzheimer-Krankheit im Frühstadium. Die bilanzierte Diät enthält eine als „Fortasyn“ bezeichnete Nährstoffkombination aus n-3-Fettsäuren (1 500 mg Docosahexaen- [DHA] und Eicosapentaensäure [EPA]), Phospholipiden, Cholin, B-Vitaminen (B6, B12 und Folsäure), Vitamin C und E, Selen und Uridinmonophosphat. Souvenaid wird von Nutricia (Danone Konzern) vermarktet und soll täglich zum Frühstück verzehrt werden.

Endpunkte

Der primäre Endpunkt der LipiDiDiet-Studie war die Verlangsamung der neuropsychologischen Verschlechterung, gemessen mit einer speziellen Test-Batterie (NTB). Sekundäre Endpunkte beinhalteten eine Normierung des NTB-Punktesystems (NTB-Z-Scores), die Progression zur Alzheimer Demenz, den clinical dementia rating sum of boxes (CDR-SB)-Test – ein weiterer Test, der klinische Aspekte stärker betont – sowie die Atrophie des Gehirns, gemessen mit struktureller Bildgebung (MRT) [1].

Kritik

Zwei der sekundären Endpunkte suggerieren einen Benefit der Nährstoffkombination: Patienten, die Souvenaid erhielten, zeigten im Vergleich zur Kontrollgruppe eine geringere Verschlechterung im CDR-SB-Test und eine geringere Abnahme an Gehirnsubtanz. Die Betrachtung der Effektstärke förderte für beide sekundären Endpunkte signifikante Unterschiede zu Tage. Wohlgemerkt für Personen, die sich strikt an das Studienprotokoll hielten [1]. Dies verleitete die Pressestelle der Universität des Saarlandes zur Aussage: „Alzheimer im Frühstadium kann mit Nährstoffkombination stabilisiert werden“ [2].

Hier muss allerdings klar gesagt werden, dass der primäre Endpunkt der Studie, nämlich die Verlangsamung der neuropsychologischen Verschlechterung der Patienten, nicht erreicht wurde. Weiterhin entwickelten 59 Personen in der Kontrollgruppe (37 %) und 62 Personen, die Souvenaid einnahmen (41 %) im Verlauf der Studie eine Demenz. Im begleitenden, redaktionellen Kommentar zur Studie merkt Hussein N. YASSINE (Keck School of Medicine of USC, Los Angeles/USA) an, dass „LipiDiDiet – wie auch vorausgegangene klinische Studien an Alzheimer Patienten – keine ausreichende Evidenz für den Einsatz der Trinknahrung im milden oder prodromalen Stadium der AD liefert“ [3]. Die signifikanten Ergebnisse in den beiden sekundären Endpunkten bezeichnet er als vielversprechend, allerdings bedürfte es weitere Forschung, um diese zu bestätigen.

Ähnlich äußern sich in Kommentaren u. a. Doug BROWN, Forschungsdirektor der US-amerikanischen Alzheimer Gesellschaft oder Tara SPIRES-JONES von der Universität Edinburgh und Nathan GRAY, Programmleiter des Britischen Demenz Forschungszentrums [4]. John HARDY von der Universität Kalifornien, ein anerkannter Alzheimerforscher, merkt an, dass „positive sekundäre Endpunkte in Studien generell unzuverlässig und schwer zu reproduzieren“ seien. In dem Sinne müsste eine Pressemeldung wohl heißen: „Alzheimer im Frühstadium könnte möglicherweise mit Nährstoffkombination stabilisiert werden“ [4]. Allerdings konnte auch eine andere, ähnlich aufgebaute Humanstudie mithilfe der Magnetoenzephalographie (MEG), die synaptische Veränderungen im Gehirn erfassen kann, keinen Effekt von Souvenaid auf die makroskopische Gehirnaktivität nachweisen [5].

Nichtsdestotrotz darf man nicht vergessen, dass sich die Studie in einem schwierigen Umfeld bewegt: LipiDiDiet befindet sich in guter Gesellschaft mit allen bis dato veröffentlichten Phase-III-Studien zum Wirknachweis von neuen Arzneimitteln zur kausalen Therapie der AD, die allesamt gescheitert sind. Weder die Ätiologie noch die Pathogenese der Erkrankung sind ausreichend verstanden, was auch dazu führt, dass die Messinstrumente – sprich Tests zum Nachweis der kognitiven Einschränkungen – kontinuierlich angepasst werden. LipiDi- Diet ist eine der ersten Studien, die nach den Kriterien von 2007 der International Working Group (IGW) für die prodromale AD abgeschlossen wurde und die neben Defiziten im episodischen Gedächtnis Veränderungen von Biomarkern als Evidenz für pathologische Veränderungen fordert. In einer Revision der IGW-Kriterien von 2014 wird den Biomarkern noch mehr Gewicht verliehen [6]. Ein im Februar 2018 veröffentlichter Entwurf der US-amerikanischen Arzneimittelzulassungsbehörde (FDA) sieht vor, dass klinische Arzneimittelstudien in einem sehr frühen Stadium der AD an Patienten durchgeführt werden dürfen, die gar keine kognitive Beeinträchtigung, sondern lediglich Veränderungen bestimmter Biomarker aufweisen. Man hat erkannt: Sobald kognitive Beeinträchtigungen auftreten, ist die Krankheit wohl nicht mehr zu stoppen.

Fazit

Somit bleiben auf absehbare Zeit letztlich Präventionsstrategien, die durch eine konsequente Minimierung von modulierbaren Risikofaktoren wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus Typ 2, Rauchen oder zu hohe Homocystein-Blutspiegel und den Einsatz von Lebensstil-Faktoren, wie Bewegung und Ernährung das Risiko an Alzheimer zu erkranken, deutlich minimieren. Dass multimodale Präventionsansätze auch einer klinischen Prüfung standhalten, konnte kürzlich die internationale FINGER-Studie eindrucksvoll belegen [7]. Eingebunden in einen multimodalen Ansatz könnte auch Souvenaid einen wichtigen Beitrag zur Prävention leisten, was zurzeit im Rahmen der MIND-ADmini-Studie untersucht wird [8].

Prof. Dr. Gunter P. Eckert
Professur für Ernährung in Prävention und Therapie
Justus-Liebig-Universität Gießen
Gunter.Eckert@ernaehrung.uni-giessen.de 

Literatur

  1. Soininen H et al. (2017) 24-month intervention with a specific mulitnutrient in people with predromal Alzheimer´s disease (LipiDiDiet): a randomised, double-blind, controlled trial. Lancet Neurol 16: 965–975 
  2. Universität des Saarlandes. Europäische Studie: Alzheimer im Frühstadium kann mit Nährstoffkombination stabilisiert werden. Pressemeldung vom 31.10.2017. URL: www.uni-saarland.de/nc/aktuelles/artikel/nr/18221.html  Zugriff 15.03.18 
  3. Yassine HN (2017) Targeting prodromal Alzheimer’s disease: too late for prevention? Lancet Neurol 16: 946 
  4. Gray N. Major EU-funded Alzheimer’s trial reveals ‘mixed’ results for daily nutrition drink. NutraIngrediens. com 31.10.2017. URL: www.nutraingredients.com/Article/2017/10/31/Major-EU-funded-Alzheimer-strial-reveals-mixed-results-fordaily-nutrition-drink  Zugriff 15.03.18 
  5. van Straaten EC et al. (2016) Magnetoencephalography for the detection of intervention effects of a specific nutrient combination in patients with mild Alzheimer`s disease: results from an exploratory double-blind, randomized, controlled study. Front Neurol 7: 161 
  6. The Lancet Neurology Editorial (2017) Alzheimer`s disease: evaluation of research diagnostic criteria. Lancet Neurol 16: 945 
  7. Ngandu T et al. (2015) A 2 year multidomain intervention of diet, exercise, cognitive training, and vascular risk monitoring versus control to prevent cognitive decline in at-risk elderly people (FINGER): a randomised controlled trial. Lancet 365: 2255–2263 
  8. ClinicalTrials.gov. Multimodal Preventive Trial for Alzheimer`s Disease (MIND-ADmini). URL: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/study/NCT03249688  Zugriff 15.03.18


Diesen Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 5/2018 auf den Seiten M240-M241.

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