Wissenschaftlicher Kongress: VegMed 2016 – Vegetarische Ernährung und Medizin

Nach drei Kongressen in den letzten Jahren fand der VegMed-Kongress zu vegetarischer Ernährung und Medizin vom 22. bis 24. April 2016 erstmals als wissenschaftlicher Kongress mit vorgeschaltetem Peer-Review-Verfahren statt. 850 Teilnehmer fanden sich hierzu an der Freien Universität Berlin ein.

Die von nun an alle zwei Jahre stattfindende Fachkonferenz richtet sich an Ärzte, Medizinstudierende und Gesundheitsberufe mit Schwerpunkt Ernährung, um auf der Grundlage wissenschaftlicher Daten den Wissenstransfer zwischen Gesundheitsberufen hin zum Patienten zu fördern. Organisiert wird VegMed von einem Konsortium der Charité Universitätsmedizin Berlin, der Immanuel Diakonie und des Vegetarierbunds Deutschland (VEBU). Die wissenschaftlichen Vorträge wurden von jungen Nachwuchswissenschaftlern (Peer-Review-Sessions) bis hin zu renommierten Ärzten und Ernährungswissenschaftlern gehalten, bei Bedarf mit simultaner Übersetzung ins Deutsche.

Die Ausrichtung der Vorträge wies eine extreme Spannbreite auf. Sie reichte von neutraler, wissenschaftlich fundierter Ergebnisdarstellung zu vegetarischer und veganer Ernährung u. a. aus großen bevölkerungsbasierten Studien (was einigen Tagungsteilnehmern, schließt man aus ihren Rückfragen, stark missfiel) bis hin zu emotionsgeladenen „pro-vegan“-Manifesten, in denen veganer Ernährung Heilwirkungen bis zur Heilung von Krebs zugesprochen wurden. Ergänzt wurde der Kongress durch industriegesponserte Symposien (bspw. zur Wirkung von Sojaproteinen), praxisorientierte Workshops, einem Publikumstag und Veranstaltungen zum professionellen Networking. Ebenfalls neu in diesem Jahr war die begleitende Industrieausstellung über zwei Stockwerke. Aussteller waren neben dem Vegetarierbund Deutschland bspw. Weiterbildungseinrichtungen, Fastenakademien und Hersteller von Pflanzendrinks, Nahrungsergänzungsmitteln oder Naturkost.

Die Vorträge fokussierten meist die vegane, nicht die vegetarische Ernährung und machten zumindest eines deutlich: Eine vegane Ernährungsweise bringt viele Vorteile mit sich, es werden aber mehr belastbare Daten benötigt, um exaktere Empfehlungen für Veganer ausarbeiten zu können. Dieses Problem wird sich vermutlich nicht schnell lösen lassen, ist die Gruppe der Veganer am Anteil der Gesamtbevölkerung doch relativ klein. Ansätze in Deutschland sind aber bspw. die vorgstellte, derzeit laufende VECHI-Studie (Vegetarian and Vegan Children Study) von Dr. Markus Keller et al. u. a. in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE).

Hinsichtlich der Verzehrempfehlungen einzelner Referenten zu „Powerfoods“ und „Superfoods“ wie Avocado, Mango, Quinoa und Co. fehlte neben der starken Fokussierung auf die Gesundheit des Einzelnen oft die Umweltperspektive (u. a.: Wie und wo werden diese Pflanzen/Rohstoffe angepflanzt? Welche Transportwege legen sie zurück?). Schließlich ist eine vegane Ernährung nicht per se umweltfreundlich und sozialverträglich. Zudem wurde die weiter verbreitete vegetarische Ernährung, die auch oftmals als Einstieg in eine vegane Ernährung dient, weitestgehend außen vor gelassen.

Diesbezüglich und auch hinsichtlich der z. T. stark „gefärbten“ Vorträge ist dem in Zukunft gewiss noch erfolgreicher werdenden VegMed-Kongress zu wünschen, dass die Ausrichtung etwas mehr über den Tellerrand „Gesundheit des Einzelnen“ hinausgehen und weniger scharf, dafür entspannter und sachlicher wird, um Wissenschaftler, aber auch Vegetarier, „Teilzeit-Veganer“, Flexitarier und insbesondere Einsteiger in die vegetarische Ernährung nicht zu verprellen und um ein tolerantes Miteinander zu ermöglichen.

Der Abstractband zum VegMed-Kongress wurde in der Zeitschrift „Forschende Komplementärmedizin“ veröffentlicht und steht auf der Kongress-Website als Download bereit:

-> www.vegmed.de 



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 06/16 auf Seite M326.

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