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Online News: Neue Handlungsempfehlungen für mehr bioregionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung veröffentlicht

  • 16.06.2025
  • News
  • Redaktion

Wie lassen sich mehr bioregionale Produkte in Kantinen und Mensen bringen? Im Projekt BioRegioKantine untersuchten die Universität Hohenheim und ÖKONSULT strukturelle Bedingungen mit dem Ziel, zentrale Erfolgs- und Hemmfaktoren zu identifizieren. Das Ergebnis sind zehn Empfehlungen, die auf politische Steuerung, öffentliche Beschaffung, logistische Strukturen, Bildungsmaßnahmen sowie Veränderungen in der Küchenpraxis und Kommunikation abzielen. Zu jeder Empfehlung wurden Umsetzungssteckbriefe erstellt. Die Ergebnisse bieten konkrete Ansätze für eine strategische Weiterentwicklung nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung auf kommunaler und Landesebene.

Täglich nehmen rund 15 bis 18 Millionen Menschen in Deutschland Mahlzeiten außer Haus ein – etwa in Kantinen, Mensen oder anderen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung. Aufgrund dieses großen Einflussbereichs wird der Außer-Haus-Verpflegung eine zentrale Rolle bei der Transformation des Ernährungssystems zugeschrieben. Vor diesem Hintergrund hat sich das Land Baden-Württemberg das Ziel gesetzt, den Anteil bioregionaler Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung bis zum Jahr 2030 auf 30 bis 40 Prozent zu erhöhen.

Vor dem Hintergrund dieser Zielsetzung wurde an der Universität Hohenheim in Kooperation mit der ÖKONSULT GbR das Projekt „BioRegioKantine“ initiiert. Ziel des Projekts war es, zentrale Erfolgs- und Hemmfaktoren für den Einsatz bioregionaler Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung zu identifizieren und daraus praxisorientierte Empfehlungen abzuleiten. Die Grundlage der Analyse bildete ein umfassender Literaturüberblick über 25 wissenschaftliche Publikationen aus dem europäischen Raum sowie 17 einschlägige Projektberichte aus dem deutschsprachigen Raum. Ergänzend wurden qualitative Interviews mit 15 Expertinnen und Experten aus verschiedenen relevanten Bereichen durchgeführt. Dazu zählten unter anderem Akteur*innen aus der Ernährungswirtschaft, kommunalen Verwaltungen, Biomusterregionen, zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie der Wissenschaft. Die Ergebnisse der Auswertung mündeten in zehn Handlungsempfehlungen, die Ansatzpunkte für eine breitere Umsetzung bioregionaler Ansätze in der Gemeinschaftsverpflegung bieten.

Zehn Steckbriefe für Handlungsempfehlungen
Zur praktischen Anwendung wurden für jede Empfehlung Steckbriefe mit konkreten Umsetzungshilfen erstellt.

  1. Klare politische Zielvorgaben: Verbindliche Ziele (z.B. über Gemeinderatsbeschlüsse) schaffen Orientierung und stärken die Akzeptanz bioregionaler Produkte. Gesetzliche Regelungen wirken effizienter als freiwillige Vereinbarungen, da Anbieter ihre Produkte danach ausrichten müssen.
  2. Bio und Regionalität in Vergabeverfahren: Nachhaltigkeit kann über Vergabeverfahren wirkungsvoll verankert werden. Während Bio in Ausschreibungen rechtssicher integrierbar ist, gibt es nur wenige Ansatzpunkte, um Regionalität EU-regelkonform zu fördern.
  3. Frischeküchen und kommunale Eigenbetriebe fördern: Frischeküchen und kommunale Eigenbetriebe erleichtern eine nachhaltigere Menüplanung und direkte Kooperationen mit regionalen Erzeuger*innen.
  4. Koordinationsstellen zur Vernetzung institutionalisieren: Vom Erfahrungsaustausch zwischen den Küchen bis zum gezielten Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten: eine kontinuierliche Vernetzungsarbeit vor Ort ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Voraussetzung dafür sind dauerhaft finanzierte Stellen.
  5. Logistik- und Bündelungsstrukturen optimieren: Logistische Hürden behindern die Verbreitung bioregionaler Produkte im Großhandel. Kleinbetriebe benötigen gebündelte Lieferwege, um Zugang zum Großhandel zu erhalten.
  6. Digitale Werkzeuge gezielt weiterentwickeln: Digitale Plattformen können Angebot und Nachfrage bioregionaler Waren verbinden. Dafür braucht es wirtschaftlich tragfähige Modelle, breite Nutzung und eine systematische Weiterentwicklung.
  7. KMU für die Vorverarbeitung fördern: Großküchen benötigen vorverarbeitete Produkte. Doch die mangelnde Verfügbarkeit von aufbereiteten bioregionalen Produkten gilt als zentrales Hemmnis. Gefördert werden sollten daher KMU und Start-ups in diesem Bereich – auch durch kommunale Wirtschaftsförderung.
  8. Fortbildungen und Coachings zu nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung: Die Transformation in der Gemeinschaftsverpflegung braucht Wissen und Motivation. Schulungen, Beratung und Austauschformate stärken die Kompetenz der Mitarbeitenden.
  9. Küchenberufe attraktiver machen: Derzeit besteht ein genereller Personalmangel in Großküchen. Gute Ausbildung, faire Arbeitsbedingungen und mehr Wertschätzung sind entscheidend, um Fachkräfte für die Großküche zu gewinnen und zu halten.
  10. Ernährungsumgebungen nachhaltig gestalten, Verhaltensanreize setzen (Nudging): Tischgäste wollen mitgenommen werden. Eine bloße Menüplan-Umstellung reicht nicht – Veränderungen müssen aktiv kommuniziert werden. Kommunikation, Storytelling und attraktive Essensräume fördern die Akzeptanz für bioregionale Gerichte – besonders bei Kindern und Jugendlichen.

Handlungsempfehlungen und digitale Vernetzung als strategische Ansätze
Die im Projekt entwickelten Handlungsempfehlungen adressieren verschiedene Handlungsfelder und können als Bausteine für eine Transformationsstrategie im Bereich der Gemeinschaftsverpflegung dienen. Sie beziehen sich unter anderem auf regulatorische und finanzielle Instrumente, auf Maßnahmen zur Förderung von Kooperationen entlang der Wertschöpfungskette, auf die Umgestaltung von Küchenprozessen sowie auf Bildungs- und Kommunikationsansätze.
Ergänzend zur inhaltlichen Analyse wurde eine Online-Plattform mit integriertem Akteursmapping entwickelt. Diese bietet einen strukturierten Überblick über zentrale Themen und Akteursgruppen im Bereich nachhaltiger Gemeinschaftsverpflegung und soll als Austausch- und Vernetzungsinstrument dienen.

Originalpublikation
Hoinle, B., Greiner, A., Bauer, C., & Bürker, F.: Strategien für mehr bioregionale Produkte in der Gemeinschaftsverpflegung. Zenodo. 2025. https://doi.org/10.5281/zenodo.15516021


Quelle: Universität Hohenheim, Pressemeldung vom 10.06.2025

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