BfR-Verbrauchermonitor Spezial: Verbraucherskepsis wegen Divergenz zwischen medialer Berichterstattung und wissenschaftlicher Bewertung

Eine im Februar 2016 im Auftrag des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) durchgeführte, repräsentative Umfrage zeigt: Fast die Hälfte der Befragten nimmt an, dass die Sicherheit und Qualität von Lebensmitteln insgesamt abnimmt, wenn bei deren Herstellung Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

„Besonders beunruhigt haben ein Drittel der Befragten Pressemeldungen über Nachweise des Pflanzenschutzmittelwirkstoffs Glyphosat in der Muttermilch und im Urin“, kommentiert BfR-Präsident Professor Dr. Dr. Andreas HENSEL die Ergebnisse. „Dabei ist nach unserer jüngsten Untersuchung in Muttermilch kein Glyphosat nachweisbar. Im Urin ist der Stoff aus wissenschaftlicher Sicht in geringen Konzentrationen zu erwarten, denn Rückstände sind bis zum erlaubten Höchstgehalt in Lebensmitteln zulässig und können folglich auch aufgenommen werden.“ Insofern seien auch die kürzlich im Bier nachgewiesenen Rückstände von Glyphosat nicht unerwartet. Die Berichterstattung in den Medien weicht daher z. T. deutlich von der wissenschaftlichen Bewertung dieser Sachverhalte ab. Grundsätzlich sind der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und damit auch Rückstände in Lebensmitteln bis zum jeweils gesetzlich festgesetzten Rückstandshöchstgehalt, der die Sicherheit des Lebensmittels garantieren muss, durch die Rechtssetzung des Gesetzgebers erlaubt und im Rahmen dieser Höchstgrenzen aus Sicht des Gesetzgebers auch gesundheitlich unbedenklich.

Bereits 2010 hat das BfR die Bevölkerung in Deutschland zum Thema Pflanzenschutzmittel befragen lassen. Damals wurde festgestellt, dass viele Verbraucher nicht wissen, dass Rückstände von Pflanzenschutzmitteln erlaubt sind. Die seit 2013 kontrovers geführte öffentliche Debatte um die gesundheitliche Bewertung von Glyphosat nahm das BfR zum Anlass, Verbraucher im Februar 2016 erneut zum Thema Pflanzenschutzmittel zu befragen. Das Ergebnis der Befragung von rund 1 000 repräsentativ ausgewählten Personen zeigt nun, dass die Fehlannahme, Rückstände von Pflanzenschutzmitteln seien in Lebensmitteln generell nicht erlaubt, nach wie vor weit verbreitet ist. Auch ist die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland der Meinung, dass Lebensmittel, die unter der Verwendung von Pflanzenschutzmitteln hergestellt werden, eher giftig, aber preiswert seien, während Lebensmittel, bei deren Produktion auf Pflanzenschutzmittel verzichtet wird, als gesund und schmackhaft, aber teuer gelten. Die Frage nach dem Verhältnis von Nutzen und Risiko des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln bei der Lebensmittelproduktion beantworten zwei Drittel damit, dass die Risiken den Nutzen überwiegen. Eine deutliche Mehrheit von 65 % gibt daher auch an, dass sie Lebensmittel vermeiden, wenn sie wissen oder vermuten, dass sie Pflanzenschutzmittelrückstände enthalten. Rückstände von Pflanzenschutzmitteln in Lebensmitteln werden also von den Befragten mehrheitlich kritisch betrachtet.

Die Ergebnisse der Umfrage bestärken das BfR in seiner Auffassung, die Öffentlichkeit künftig noch umfänglicher über die Grundlagen und Ergebnisse der wissenschaftlichen Risikobewertung bei Pflanzenschutzmitteln zu unterrichten.

=> Mit dem Thema Risikowahrnehmung befasst sich auch der Special-Beitrag von Ortwin RENN ab S. M528 in diesem Heft: „Das Risikoparadox: Kluft zwischen Wahrnehmung und Realität.“

Quelle: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Pressemeldung vom 01.03.2016



Den Artikel finden Sie auch in Ernährungs Umschau 09/16 auf Seite M502.

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