Geschmacksvorlieben: Pilze, Rosenkohl & Koriander

Es ist wieder Zeit für Grünkohl, Wild oder Lebkuchen. Doch was dem einen schmeckt, verabscheut ein anderer. Die Frage, warum wir manche Lebensmittel mögen und andere nicht, kann nicht so einfach beantwortet werden. Denn dabei spielen sowohl angeborene als auch erlernte Faktoren eine Rolle. Dr. Bianca Müller, Professorin für Ernährungswissenschaft und Lebensmitteltechnologie an der SRH Fernhochschule, hat Antworten.

Einige Vorlieben und Aversionen werden laut Prof. Müller mit in die Wiege gelegt: Babys besitzen bspw. eine angeborene Vorliebe für die Geschmacksrichtung „süß“ und eine Abneigung gegen bittere Lebensmittel. Denn auf diese Weise wird sichergestellt, dass die süß schmeckende Muttermilch gemocht wird und giftige bzw. ungenießbare Produkte, die häufig bitter sind, nicht verzehrt werden.
Doch auch individuelle genetische Veranlagungen spielen eine Rolle. Bspw. können sog. „Supertaster“ Geschmäcker deutlich intensiver wahrnehmen als „Normalschmecker“. Gerade bei sehr intensiv schmeckenden Lebensmitteln, z. B. Chicorée, Rosenkohl, Feldsalat oder Rote Bete, kann der Geschmack als zu bitter bzw. zu intensiv empfunden und das Lebensmittel abgelehnt werden.
Neben der Genetik haben auch die Erziehung, das Umfeld und individuelle Erfahrungen einen sehr großen Einfluss darauf, was als lecker oder nicht schmackhaft empfunden wird. Mit der Zeit ist es möglich, sich an Geschmäcker zu gewöhnen. Laut Prof. Müller beginnt die Prägung bereits im Mutterleib und setzt sich beim Stillen, während der Kindheit und bis ins Jugendalter fort. Babys nehmen über das Fruchtwasser und die Muttermilch Geschmackseindrücke aus der mütterlichen Nahrung wahr. Da diese Speisen meist auch später in der Familie auf dem Tisch landen, kommen die Kinder auch dann wieder mit diesen Geschmäckern und Aromen in Kontakt.
Vorlieben bilden sich also durch wiederholten Kontakt zu einem Lebensmittel aus (der sog. Mere-Exposure-Effekt). Allerdings tritt dieser Effekt nur dann auf, wenn der Kontakt mit der jeweiligen Speise in einem positiven Kontext stattfindet. Wenn der Verzehr mit einer negativen Erfahrung in Verbindung gebracht wird, z. B. darauffolgendem Erbrechen oder auch Streit am Familientisch, können sich Abneigungen gegen bestimmte Speisen ausbilden.
Die Kultur und das Umfeld, in dem wir aufwachsen, spielen folglich eine große Rolle im Hinblick auf unsere Essensvorlieben. Eine Person aus Ostasien würde vermutlich bei einem würzig-reifen Weichkäse ein Ekelgefühl und das Produkt als überreif und verdorben empfinden. In Frankreich gilt das gleiche Produkt als Delikatesse. Umgekehrt verhält es sich vielleicht mit gegrillten Heuschrecken, die bei den meisten Menschen in Europa eher auf Skepsis stoßen.
Da insb. Kinder sehr viel über Beobachtung lernen, empfiehlt Prof. Müller im Hinblick auf die Ausbildung eines gesunden Essverhaltens, dass Eltern, Großeltern, Geschwister, Erzieher*innen etc. mit gutem Beispiel vorangehen und Rosenkohl & Co. ganz selbstverständlich in die eigene Ernährung integrieren.

Quelle: SRH Fernhochschule, Pressemeldung vom 30.10.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 12/2023 auf den Seiten M722 bis M723.

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