Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Genetischer Defekt als Einfallstor für bakterielle Entzündungen

Es ist bekannt, dass mehr als 200 verschiedene Genomregionen das Risiko für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) beeinflussen. Die Mechanismen, die das Zusammenspiel dieser Risikogene mit der Umwelt und die Entstehung von CED steuern, sind jedoch noch größtenteils unbekannt.

Ein Team unter der Leitung von Prof. Zeißig, Forschungsgruppenleiter am Zentrum für Regenerative Therapien Dresden (CRTD), untersuchte Mutationen im Gen X-linked Inhibitor of Apoptosis Protein (XIAP). Etwa 30 % aller Menschen mit dieser genetischen Störung entwickeln eine CED, was auf einen bedeutenden genetischen Beitrag zur Erkrankung hinweist, aber auch zeigt, dass weitere, bislang nicht bekannte Faktoren zur Erkrankung beitragen. Das Forschungsteam untersuchte daher am Beispiel von XIAP-Mutationen, wie Wechselwirkungen zwischen Gendefekten und Umwelteinflüssen zur Entstehung einer CED führen können [1].
Der Verlust des Gens XIAP ist bei Menschen und Mäusen mit Defekten in Paneth-Zellen im Dünndarm verbunden. Paneth-Zellen produzieren kleine Moleküle, die bei Ausscheidung in den Darm Bakterien abtöten und so die Zusammensetzung des Mikrobioms kontrollieren und Bakterien daran hindern, in das Darmgewebe einzudringen. Ohne funktionierendes XIAP Gen zeigten Paneth-Zellen eine gestörte Produktion und Freisetzung antimikrobieller Moleküle, was wiederum zu einem Ungleichgewicht im Mikrobiom führte.
Im Mausmodell zeigte sich, dass die Mäuse trotz dieser Darmdefekte keine Entzündung entwickelten. Erst nach der Einführung eines bestimmten Bakteriums, das für normale Mäuse harmlos ist, entwickelten Mäuse mit Defekten in XIAP eine Darmentzündung, die CED ähnelte. Dies könnte laut Prof. Zeißig erklären, warum die Mehrheit der PatientInnen, die Mutationen in diesem Gen haben, keine CED entwickeln. Diese genetische Konstellation führe zwar zu einer anfälligeren Umgebung, jedoch sei es erst der Kontakt zu bestimmten Bakterien, der die Entzündung letztendlich auslöse.
Nachdem das Team beobachtet hatte, dass der Verlust des XIAP-Gens zu Schäden an Paneth- Zellen und ggf. einem veränderten Mikrobiom führte, testeten die WissenschaftlerInnen schließlich eine mögliche Intervention. Sie führten dazu Mäusen mit dem Gendefekt antimikrobielle Moleküle zu, die ähnlich sind zu denen, die von gesunden Paneth-Zellen produziert werden. „Wir konnten beobachten, dass diese antimikrobiellen Moleküle eine Darmentzündung verhindern konnten, selbst wenn die krankheitsverursachenden Bakterien vorhanden waren,“ so Prof. Zeißig. Diese Ergebnisse deuten auf neue Möglichkeiten für personalisierte CED-Therapien hin.

Literatur
1. Strigli A, Gopalakrishnan S, Zeissig Y, et al.: Deficiency in X-linked inhibitor of apoptosis protein promotes susceptibility to microbial triggers of intestinal inflammation. Science Immunology 2021; doi.org/10.1126/ sciimmunol.abf7473.

Quelle: Technische Universität Dresden, Pressemeldung vom 08.11.2021



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 2/2022 auf Seite M64.

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