NAKO Gesundheitsstudie: Grenzen des Body-Mass-Index

Der Body-Mass-Index (BMI) wird häufig zur Diagnose von Übergewicht und Adipositas verwendet. Aufgrund seiner weltweiten Akzeptanz und der einfachen Berechnung aus Körpergewicht und Größe (kg/m2) ist er nützlich, um eine erste Einschätzung der Adipositas in der Bevölkerung vorzunehmen. Allerdings kann der BMI das Risiko für Herz-Kreislauf- oder Krebserkrankungen auf individueller Ebene nicht immer korrekt widerspiegeln [1, 2], da er keine Informationen über die Körperzusammensetzung liefert. Er kann weder zwischen Muskel- und Fettmasse unterscheiden, noch die Verteilung und Art des Fettgewebes berücksichtigen.

So wird bspw. der Körperfettanteil je nach Geschlecht unterschiedlich genau durch den BMI erfasst: Der prozentuale Körperfettanteil bei Frauen ist in der Regel höher als bei Männern mit gleichem BMI [3]. Zudem spielt es eine wichtige Rolle, wo sich das Fettgewebe ansammelt. Unterhautfettgewebe, v. a. an Oberschenkeln und Hüfte, hat andere Effekte in Bezug auf die Gesundheit als das tieferliegende Fettgewebe, das die Organe umgibt [4]. Die Unterscheidung zwischen Unterhaut- und Organfettgewebe steht zunehmend im Fokus der Forschung. Insbesondere das Organfett gilt als hormonell aktiv, d. h. es werden Entzündungsmarker ausgeschüttet, die mit einem erhöhten Risiko für Diabetes mellitus Typ 2 und koronare Herzkrankheit einhergehen [5, 6]. Daneben ist auch die Menge an Muskeln von zentraler Bedeutung. Ein hoher Muskelanteil führt dazu, dass das Gewicht und somit der BMI steigen. Insbesondere der Verlust von Muskelmasse im Alter geht mit einem erhöhten Krankheits- und Mortalitätsrisiko einher [7]. Aus diesen Gründen ist eine verbesserte Erhebung von Übergewicht und Adipositas in der täglichen klinischen Praxis und ebenso in epidemiologischen Studien unumgänglich.
In der NAKO Gesundheitsstudie werden daher neben den klassischen Messungen von Körpergröße, -gewicht und Taillen- bzw. Hüftumfang weitere Methoden wie die multifrequente bioelektrische Impedanzanalyse (BIA) eingesetzt, um zwischen Fett- und Muskelmasse zu unterscheiden. Außerdem werden das Unterhautfettgewebe und das Organfettgewebe in der Bauchregion mithilfe von Ultraschall ermittelt. Zusätzlich werden weitere bildgebende Verfahren wie MRT-Aufnahmen des Körpers sowie ein 3-D-Bodyscan für die bildliche Darstellung der äußeren Körperform in einigen Studienzentren eingesetzt. Diese Vielzahl an verschiedenen körperbezogenen Daten bietet die Möglichkeit, den Zusammenhang zwischen körperlichen Merkmalen, deren Veränderung über die Zeit und der Entstehung von chronischen Erkrankungen abzubilden [8].

Literatur

  1. Borga M, West J, Bell JD, et al.: Advanced body composition assessment: from body mass index to body composition profiling. J Investig Med 2018; 66(5): 1–9.
  2. Cornier MA, Després JP, Davis N, et al.: Assessing adiposity: a scientific statement from the American Heart Association. Circulation 2011; 124(18): 1996–2019.
  3. Nuttall FQ: Body Mass Index: Obesity, BMI, and Health: A Critical Review. Nutr Today 2015; 50(3): 117–28.
  4. Fox CS, Massaro JM, Hoffmann U, et al.: Abdominal visceral and subcutaneous adipose tissue compartments: association with metabolic risk factors in the Framingham Heart Study. Circulation 2007; 116(1): 39–48.
  5. Schlecht I, Gronwald W, Behrens G, et al.: Visceral adipose tissue but not subcutaneous adipose tissue is associated with urine and serum metabolites. PLoS One 2017; 12(4): e0175133.
  6. Shuster A, Patlas M, Pinthus JH, Mourtzakis M: The clinical importance of visceral adiposity: a critical review of methods for visceral adipose tissue analysis. Br J Radiol 2012; 85(1009): 1–10.
  7. Sedlmeier AM, Baumeister SE, Weber A, et al.: Relation of body fat mass and fat-free mass to total mortality: results from 7 prospective cohort studies. Am J Clin Nutr 2021; 113: 639–46.
  8. Fischer B, Sedlmeier AM, Hartwig S, et al.: Anthropometrische Messungen in der NAKO Gesundheitsstudie – mehr als nur Größe und Gewicht. Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz 2020; (63): 290–300.

Quelle: NAKO Gesundheitsstudie, Pressemeldung vom 23.01.2023


 

Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 5/2023 auf Seite M273.

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