Reaktanz in der Gesundheitskommunikation: Aufforderungen zu weniger Fleischkonsum können Konsumveränderungen erschweren

Zahlreiche Informationskampagnen versuchen, Menschen zu mehr Bewegung oder gesünderem Essen zu animieren. Die bisherige Forschung zeigt, dass solche Botschaften durchaus wirken können, ihre Effekte aber begrenzt sind.

Ein Erklärungsansatz dafür ist das Phänomen der psychologischen Reaktanz. Durch die Aufforderung, das eigene Verhalten zu ändern, können sich Menschen in ihrer Entscheidungsfreiheit eingeschränkt fühlen, sie reagieren dann verärgert, ignorieren die Botschaft oder verstärken das unerwünschte Verhalten sogar. Gesundheitsbotschaften, die auf eine Reduzierung von Tabak- oder Alkoholkonsum abzielten führten z. B. zu einer gesteigerten Einnahme der Drogen.
Während die Auswirkungen psychologischer Reaktanz in vielen Bereichen gut untersucht sind, ist wenig über die zugrundeliegenden kognitiven Prozesse bekannt. Im Rahmen einer nun veröffentlichten Studie untersuchten Forschende der Universitäten Bamberg und Erfurt, inwiefern Reaktanz Aufmerksamkeitsprozesse beeinflusst [1]. Dazu wurden die Teilnehmenden in mehrere Gruppen eingeteilt. Während eine Experimentalgruppe dazu aufgefordert wurde, in Zukunft kein Fleisch mehr zu konsumieren, um ihre Gesundheit und die Umwelt zu schützen, bekam eine Kontrollgruppe keine solche Botschaft. In anschließenden Messungen zeigte sich, dass omnivore Teilnehmende der Experimentalgruppe stärker verärgert waren als omnivore Personen in der Kontrollgruppe. Außerdem hing das Ausmaß der Reaktanz bei omnivoren Experimentalgruppenmitgliedern mit ihrer Leistung in einem Wortgitter zusammen, in dem neben neutralen Wörtern wie etwa „Papier“ oder „Mond“ auch fleischbezogene Begriffe versteckt waren – zum Beispiel „Wurst“ oder „Schnitzel“. Je stärker die Verärgerung war, umso mehr fleischbezogene Begriffe fanden diese Personen im Wortgitter.
„Das Ergebnis deutet darauf hin, dass die durch Gesundheitsbotschaften ausgelöste Reaktanz unsere Aufmerksamkeit in Richtung ungesunder Konsumgelegenheiten verschieben kann“, erläutert Philipp Sprengholz der Universität Bamberg. „Dadurch kann die beabsichtigte Verhaltensänderung erschwert und ungesundes Verhalten möglicherweise sogar verstärkt werden.“ Die aktuellen Daten deuten darauf hin, dass Gesundheitsbotschaften möglichst wenig Reaktanz auslösen oder durch geeignete Maßnahmen Aufmerksamkeitsverschiebungen korrigieren sollten.

Literatur
1. Sprengholz P, Tannert S, Betsch C: Explaining boomerang effects in persuasive health communication: How psychological reactance to healthy eating messages elevates attention to unhealthy food. J Health Commun 2023; 28(6): 384–90.

Quelle: Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Pressemeldung vom 20.06.2023



Diesen Artikel finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 11/2023 auf Seite M667.

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