Der Bundestag hat die Regierung beauftragt Maßnahmen gegen Diabetes voranzutreiben. © Kateryna Novikova/iStock/Getty Images Plus
Der Bundestag hat die Regierung beauftragt Maßnahmen gegen Diabetes voranzutreiben. © Kateryna Novikova/iStock/Getty Images Plus

Deutscher Bundestag: Nationale Diabetes-Strategie – ein Auftrag an die Bundesregierung

  • 10.07.2020
  • News
  • Dr. Sabine Schmidt

Am Freitag, den 3. Juli, hat der Bundestag nach langer Vorarbeit Vorgaben für eine Nationale Diabetes-Strategie verabschiedet. Die Kernpunkte des Papiers sind als Aufforderung an die Regierung zu verstehen, tätig zu werden.

Es handelt sich noch nicht um einen Gesetzesentwurf. Aber mit der Annahme des Antrags (19/20619) fordert der Bundestag die Bundesregierung auf, Prävention und Versorgung von Adipositas und Diabetes mellitus deutlich voranzutreiben. [1]

Bezüglich einer besseren Versorgung von Menschen mit Adipositas als wichtigem Risikofaktor für einen Diabetes mellitus Typ 2 soll die Regierung gegenüber der Bundesärztekammer darauf hinwirken, dass Adipositas und damit auch die Notwendigkeit einer gesunden Ernährung und ausreichenden Bewegung in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung verstärkt berücksichtigt wird. Gegenüber den Ländern soll sie sich für den Ausbau der Lehrstühle an den Universitäten und eine Berücksichtigung in den neuen Studiencurricula einsetzen. Darüber hinaus strebt der Bundestag an, dass eine individuelle, multimodale und interdisziplinäre Versorgung von Menschen mit Adipositas Grad 1 bis 3 in der vertragsärztlichen Versorgung zulasten der Krankenkassen ermöglicht und eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Krankenbehandlung sichergestellt wird.

Die Inhalte der Diabetes-Strategie in Bezug auf die Adipositas werden von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG) ausdrücklich gelobt. Professorin Dr. med. Martina de Zwaan, Präsidentin der DAG, meint: „Ein wichtiger politischer Durchbruch mit Signalwirkung an den Gemeinsamen Bundesausschuss, der den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen verantwortet – und an die Krankenkassen selbst!“ Es sei höchste Zeit, dass die Adipositas in den Fokus gesundheitspolitischer Entscheider gerate, insbesondere, da die Diabetes-Strategie langfristig in eine ressortübergreifende Strategie für Gesundheitsförderung und Prävention in Deutschland überführt werden soll „Mit effektiver Prävention und Therapie der Adipositas kann die Bundesregierung nicht nur den wichtigsten Risikofaktor für Diabetes Typ 2, sondern gleichzeitig das Risiko für eine Vielzahl weiterer Folgekrankheiten senken, darunter Herzkreislauf-Krankheiten, Bluthochdruck, viele Krebsarten etc. Das Problem Adipositas anzugehen, ist daher nicht nur eine medizinische Notwendigkeit und Hilfe für Betroffene, es lohnt sich auch aus volkswirtschaftlicher Sicht“, erläutert de Zwaan. [2]

Der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) kommt in dem Entwurf insbesondere die Ernährung zu kurz, ein wesentlicher Kern der Diabetesprävention. Sie sieht in der verabschiedeten Strategie nur einen kleinen, nicht ausreichenden Schritt. „Die Lebensmittelindustrie muss hier mehr in die Verantwortung genommen werden, denn ihre Produkte tragen ganz wesentlich zu gesundem oder ungesundem Essverhalten bei“, erklärt DDG Geschäftsführerin Barbara Bitzer. In Bezug auf Softdrinks etwa nennt die Diabetesstrategie aber weiterhin nur das Ziel einer freiwilligen Zuckerreduktion von 15 % bis Ende 2025. Die Fachverbände fordern hingegen eine verbindliche Zuckerreduktion von 50 % in Süßgetränken sowie ein nationales Werbeverbot für übergewichtsfördernde Produkte mit Kinderoptik. Begrüßt werden von der DDG die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung des Disease Management Programms (DMP), zur Diabetesforschung sowie dem Ausbau der telemedizinischen Infrastruktur. [3]

Die Kernforderungen der Nationalen Diabetes Strategie an die Regierung fasst die Ärztezeitung wie folgt zusammen:
• Die Regierung möge die Prävention des Diabetes mellitus Typ 2 nicht auf die Gesundheitsversorgung beschränken, sondern ressortübergreifend angehen. Ein wichtiges Ziel sei die mit der Lebensmittelbranche vereinbarte freiwillige 15-prozentige Zuckerreduktion in Kinderlebensmitteln bis 2025. Die Regierung wird aufgefordert, sich für eine 50-prozentige Verringerung von Zucker in Limonaden einzusetzen.
• Der Health-in-all-policies-Ansatz der Weltgesundheitsorganisation solle dafür mit der Nationalen Präventionskonferenz verknüpft und verstetigt werden.
• Die Grundpfeiler der Diabetes-Prävention „Ernährung und Bewegung“ sollen gleich stark in den Strategien und Fördermaßnahmen des Bundes verankert werden.
• Die Regierung wird aufgefordert, Prävention und Versorgungsforschung zu Adipositas und Diabetes voranzutreiben.
• Zudem soll sie auf die Bundesärztekammer einwirken, Adipositas, Ernährungs- und Bewegungskunde in der ärztlichen Fort- und Weiterbildung verstärkt zu berücksichtigen sowie sich bei den Ländern für den Ausbau der Lehre zu Diabetes-Themen einzusetzen. • Zudem soll die Regierung darauf hinwirken, eine individuelle, multimodale und interdisziplinäre Versorgung von Menschen mit Adipositas in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen zu ermöglichen. Es soll geprüft werden, ob der Gemeinsame Bundesausschuss dazu eine Richtlinie beschließen sollte.
• Die Selbstverwaltung soll aufgefordert werden, stärker für die Teilnahme an strukturierten Behandlungsprogrammen (DMP) zu werben und für eine aussagekräftige Evaluation und Qualitätsberichterstattung der DMP zu sorgen.
• Die Diabetes-Surveillance am Robert Koch-Institut (RKI) soll weiterentwickelt und so viele Datenquellen wie möglich erschlossen werden.
• Die Aufklärung über die Krankheit und ihre Ursachen soll verbessert, die Forschung zu Diabetes ausgebaut werden. [4]

 


Quellen:

1. Deutscher Bundestag: Bundestag will mehr Prävention bei Adipositas und Diabetes mellitus. 03.07.2020 

2. Deutsche Adipositas-Gesellschaft, Pressemeldung vom 03.07.2020

3. Deutsche Diabetes Gesellschaft, Pressemeldung vom 03.07.2020

4. Anno Fricke: Startschuss im Bundestag. Diabetesstrategie – Gedämpfter Applaus und scharfe Kritik. Ärztezeitung 03.07.2020. www.aerztezeitung.de/Politik/Diabetesstrategie-Gedaempfter-Applaus-und-scharfe-Kritik-411001.html

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