Krebs – Fokusverschiebung in der Ernährungskommunikation

Ernährungsmuster, die sich als präventiv wirksam gegenüber nicht-übertragbaren Krankheiten herausgestellt haben, ähneln häufig auch den Empfehlungen in der Ernährungstherapie dieser Krankheiten. Es dreht sich meist um ein ausgewogenes Ernährungsmuster mit nährstoffreichen und nicht zu energiedichten Lebensmitteln – je nach Erkrankung kommen in der Therapie ggf. spezielle Anforderungen hinzu. Ein zu hohes Gewicht sollte aus präventiver Sicht genauso vermieden werden wie eine Mangelernährung.

In der ernährungstherapeutischen Begleitung von Patient*innen mit akuten Krebserkrankungen weichen die Empfehlungen während der Therapiephase hingegen erheblich von den präventiven ab: Der Fokus verschiebt sich – weg von der vorher betonten, langfristig angelegten Prävention von Übergewicht hin zur unbedingten Vermeidung einer Mangelernährung und zur kurzfristigen Verträglichkeit von Nahrungsmitteln. Schon 2018 widmeten sich mehrere Artikel der ERNÄHRUNGS UMSCHAU1 der Thematik der Mangelernährung bei Krebserkrankungen.
Heißt es in der Prävention: „Nimm möglichst nicht zu“, kehrt sich dies in der Therapie vollständig um zu: „Nimm möglichst nicht ab“. Im Beitrag zur Ernährungskommunikation bei Krebs ab S. M386 erläutern die Autorinnen, warum diese Fokusverschiebung in der Kommunikation über Ernährung mit Krebserkrankten so wichtig ist und wie Inhalte vermittelt werden sollten, um Patient*innen in ihrer Situation wirklich zu helfen: Die Diagnose einer möglicherweise lebensbegrenzenden Krankheit hat gerade das Lebenskonzept des oder der Betroffenen auf den Kopf gestellt. Die Gedanken richten sich auf die Organisation von Alltag und Arztterminen und auf die Bewältigung von Nebenwirkungen von Tumor und Therapie, der Appetit ist dabei vielen „vergangen“. Essen zu „müssen“, um nicht in eine Mangelernährung zu geraten, ist etwas, was manche*r neben all dem anderen einfach nicht mehr schafft – und schon gar nicht, objektiv „gesund“ zu essen. Deshalb ist es enorm wichtig für Betroffene, zu wissen, dass sie im Moment keine „optimale“ Ernährung anstreben müssen, sondern dass es kurzfristig nur darauf ankommt, Bedingungen zu schaffen, sich ihren Appetit zu erhalten und – wenn möglich – ausreichend zu essen und nur das, was sie vertragen und mögen (s. S. M390).
Wer aber kommuniziert das? Noch nicht alle behandelnden Onkolog*innen haben die Therapieanforderungen an die Ernährung bei Krebs ausreichend im Blick und regen eine supportive Ernährungstherapie an. Google ist eine oft genutzte, aber leider schlechte Quelle2. Das gemeinnützige Portal → www.was-essen-bei-krebs.de (unterstützt u. a. vom München Comprehensive Cancer Center der Ludwig-Maximilians-Universität) ist hingegen eine Art „Erste Hilfe“: Es bietet für Betroffene fundierte und gut aufbereitete Informationen, die diese für das Thema sensibilisieren, drängende Fragen beantworten und im besten Fall einer ernährungstherapeutischen Begleitung zuführen können. Anja Blumers und Sandra Neubauer stellen Ihnen das Portal in der Rubrik Ernährungspraxis und Diätetik in diesem Heft vor (S. M386).

Ihre Sabine Schmidt

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1 ERNÄHRUNGS UMSCHAU 10/2018 und 12/2018
2 siehe auch ERNÄHRUNGS UMSCHAU 4/2023: „Webbasierte Informationen zur Ernährung von PatientInnen mit Krebserkrankungen“ von Mohring S. et al.



Diesen Editorial finden Sie auch in ERNÄHRUNGS UMSCHAU 6/2023 auf Seite M329.

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