Cover des neuen Food Reports 2017.
Cover des neuen Food Reports 2017. © Zukunftsinstitut GmbH

Food Report 2017: Fisch als Zukunft unserer Ernährung

  • 28.06.2016
  • News
  • Stella Glogowski

Ende Juni 2016 präsentierte die Autorin und Food-Zukunftsforscherin Hanni Rützler in Frankfurt die Highlights des vierten Food Reports. Dieser erfasst beginnende, avantgardistische Strömungen, die als Denkanstöße und Inspiration für die Food-Branche dienen können. Lesen Sie hier unsere Kurzzusammenfassung.

Im ersten Kapitel „Von Science Fiction zu Science Faction“ beschäftigt sich Rützler mit Food Visions, mit Konstellationen des Möglichen. Es werden produkt- als auch servicebezogene Food-Start-Ups, die neuen „Player“ in der Branche, vorgestellt: E-Food-Blogs, Food-Coops, Alternativen für Fleisch, vegane Netzwerke, Streetfood, Pop-up-Restaurants, personalisierte Ernährung und Self-Tracking, Unterwassergärten, ein Infrarot-Scanner, mit dem man den Nährwert von Lebensmitteln selbst bestimmen kann, Food in der Kunst und sprechende Tassen. Die Aussage „Essen ist das neue Pop“ von 2016 ergänzt der diesjährige Report um „Food-Start-Ups sind die neuen Bands.“

Vier wichtige Strömungen
Hanni Rützler in einer Marktstraße.
Zukunftsforscherin Hanni Rützler. © Andreas Jackwerth

Im zweiten Kapitel des Reports beschreibt Rützler vier Food-Trends, die in unserer Kultur zum Teil noch ein kaum bemerktes Nischendasein führen, teils aber auch schon spürbar sind: New Flavoring, Convenience 3.0, Brutal Local und Beyond Food.

In New Flavoring geht es um die Wiederentdeckung vergessener und die Entwicklung neuer Aromen und Geschmacksstoffe. Entlang eines Zeitstrahls kann man die „Geschmacksgeschichte“ in Europa nachempfinden: angefangen bei Gewürzen und ätherischen Ölen im Mittelalter über Vanillin im 19. Jahrhundert, Glutamat, die Entdeckung des „5. Geschmacks“ (umami) und den Einsatz von Hefen im 20. Jahrhundert bis hin zum „neuen natürlichen Geschmack“. Als Beispiel dient hier unter anderem das Nordic Food Lab, in dem zum althergebrachten Fermentieren und sich daraus ergebenden Geschmäckern geforscht wird.

Convenience 3.0 umfasst nicht mehr nur echte Fertigprodukte (nur mit Wasser aufgießen/nur warm machen), denn viele wollen trotz fehlender Zeit oder fehlendem Know-how Frisches genießen und in Teilen selbst zubereiten. Gefragt sind „smarte“ Esslösungen, die uns ermöglichen, weniger Lästiges und mehr Angenehmes zu erledigen. Convenience wird dreigliedrig dargestellt: Convenience-Produkte (frische Fertigmenüs, pre-cut vegetables, Halbfertiggerichte etc.), Convenience-Technik (Küchenmaschinen wie der Thermomix, Koch- und Rezept-Apps) und Convenience-Service (rent a cook, fresh food delivery, Rezeptshopping, Kochboxen etc.).

Brutal Local zeigt neue Dimensionen der Regionalität und damit auch Saisonalität auf. Regional einkaufen ist „alt“, aber sehr lebendig. Nachdem „regional“ bereits als „das neue Bio“ zum Mainstream erklärt wurde, hat es eine Evolution durchgemacht, die in Brutal Local mündet: Es geht um Experimente mit nicht-landwirtschaftlichen Produkten (Wildpflanzen [wild food], unkultivierte, endemische aber auch fremde Flora und Fauna), um Urban Farming, Erzeugermärkte, Food Coops usw. So gibt es Birkenwasser, Bio-Reis aus Österreich und Imker mit über 70 verschiedenen Honigsorten. Diese „Glokalisierung“ ist eine innovative Nische innerhalb des immer breiter werdenden Lokal-Trends.

„Beyond Food“ thematisiert die Entwicklung von „neuer Nahrung“. Wurden Kunstfleisch und Analogkäse vor ein paar Jahren noch stark kritisiert, erfahren Ersatzprodukte laut Rützler nun einen Paradigmenwechsel und werden salonfähig. Der Technologie gegenüber aufgeschlossene Verbraucher und Vegetarier und Veganer treiben diesen Gegentrend an. 

Meer und Mehr
Grafik aus den vier Food-Trends New Flavoring, Convenience 3.0, Brutal Local und Beyond Food.
Einblick in den Report: Evolution der vier Food-Trends. © futurefoodstudio 2016

Der Themenschwerpunkt im dritten Kapitel „Meer und Mehr – Die Zukunft unserer Ernährung liegt im Wasser“ beschreibt das Potenzial des Ausbaus der marinen und terrestrischen Fischzucht (im Gegensatz zum Fischfang) und des Verzehrs von Algen.

Der Peak Meat (Höhepunkt des Fleischverzehrs) ist hierzulande, schaut man sich die Pro-Kopf-Verzehrsdaten für Fleisch der letzten Jahrzehnte an, schon erreicht, und auch die Wildfischfangmenge stagniert seit 2000. Der Peak Fish ist aber noch weit entfernt, der Konsum steigt. Hier betrachtet Rützler Aquakultursysteme als zukunftsweisend: von mariner Aquakultur über Teichsysteme, terrestrische „Aquaponiks“ bis hin zur „maritimen Landwirtschaft“ (Fischzucht in Kombination mit Gemüse-, Kräuter und/oder Algenzucht). Die vegetarische Variante aus dem Meer – Algen – sind meist vitamin-, mineralstoff- und ballaststoffreich. Als „Powerfoods“ werden sie in der veganen Ernährung (bspw. in grünen Smoothies) und auch in Asien eingesetzt. Innovative Produkte sind etwa „Tagliatelle“ aus relativ unverarbeiteten Algen, Algenöle oder -tees. 

Trends dienen Menschen als „Lösungen“

Der Food Report schließt mit dem Branchen-Schwerpunkt „Gastro“ zu „Californication“ und „Essthetik“. Kalifornien ist ein Paradebeispiel für eine „Essential Food Destination“, da in der New California Cuisine multikulturelle Food-Aufbruchstimmung herrscht. Hier hatte beispielsweise das Revival der Avocado seinen Ursprung. „Essthetik“ beleuchtet die steigende Bedeutung von Design in Restaurants, Küchen und im Geschirrsegment.

Der vierte Food Report kann wie seine Vorgänger irritieren, aber ebenso inspirieren. Er besticht durch sein klares Design, die anschaulichen Infografiken und beweist Mut zur Lücke, denn es werden immer nur einzelne Trends und Strömungen beleuchtet. Wie alle Zukunftsszenarien zeichnet der Bericht ein vereinfachtes Bild, doch wie Rützler betont, dienen Trends den Menschen als „Lösungen“ und ihre Darstellung ist lediglich ein anderer Blick auf bestehende Probleme, Sehnsüchte und Herausforderungen.

Stella Glogowski



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