© Ingram Publishing / Thinkstock
In der Nutztierhaltung kommen Antibiotika häufig zum Einsatz. © Ingram Publishing / Thinkstock

Lebensmittelsicherheit: Bald weniger Antibiotikaresistenzen auf dem Teller?

  • 29.07.2015
  • News
  • Redaktion
  • mya

Im vergangenen Jahr wurden in der Tiermedizin circa 15 Prozent weniger Antibiotika abgegeben als im Vorjahr. Dies berichtet das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Die gemeldeten Wirkstoffmengen lassen sich zwar nicht einzelnen Tierarten zuordnen, sind aber bemerkenswert. Fraglich ist, ob sich dadurch auch das Vorkommen antibiotikaresistenter Keime in Lebensmitteln verringert. Umweltschützer sind alarmiert.

© Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)
Antibiotika-Abgabemengen für das Jahr 2014 in Deutschland. © Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Nach dem Bericht des BVL hat die Menge an abgegebenen Antibiotika in verschiedenen Regionen Deutschlands von 2011 bis 2014 abgenommen. Mit Tierarzneimitteln sollen kranke Tiere behandelt und so die Tiergesundheit gefördert werden. Problematisch ist jedoch, dass der Therapieerfolg durch antibiotikaresistente Bakterien gefährdet wird. Der Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien oder von Resistenzgenen zwischen Mensch und Tier ist wechselseitig möglich.

Aus diesem Grund sorgte der hohe Einsatz von Tiermedizin etwa in der Massentierhaltung in den vergangenen Jahren immer wieder für Aufsehen. Antibiotikaresistente Keime konnten in verschiedenen Lebensmitteln nachgewiesen werden, etwa bei einer in 2014 von der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen in Auftrag gegebenen Stichprobenanalyse bei Wurst und Schinken. Damals wurden in 10 aus 63 Proben sogenannte ESBL-bildende Bakterien entdeckt. 

Extended Spectrum β-Lactamasen sind Enzyme, die von einigen Bakterienstämmen produziert werden und sie gegen bestimmte Antibiotika schützen. Laut dem Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) fördert der Einsatz von Antibiotika bei Tieren und Menschen die Verbreitung dieser ESBL-bildender Bakterien. Bisher sei nicht bekannt, wie oft der Kontakt oder die Besiedlung mit derartigen Bakterien beim Menschen zu einer Erkrankung führt. Im Fall einer Erkrankung - so viel ist sicher - ist diese allerdings schlechter behandelbar. 

Reserveantibiotika als Ersatz

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisiert den Bericht des BVL deutlich. Die Umweltschützer betonen in einer Mitteilung, dass die Menge herkömmlicher Wirkstoffe zwar sinke, dafür aber Reserveantibiotika zum Teil in größerem Umfang eingesetzt würden. Und das, obwohl diese laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) besonders wichtig für die Therapie beim Menschen sind.

„In die Billigfleisch- und Milchproduktion in Deutschland gelangten im Jahr 2014 mehr als 1200 Tonnen Antibiotika", so die BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning. Die Organisation erwartet angesichts der hohen Werte von antibiotikaresistenten Keimen auf Fleisch ein gemeinsames Vorgehen von Bundesregierung und Bundesländern.

„Bund und Länder tragen gemeinsam die Verantwortung für strenge Regeln gegen den noch immer zu hohen Einsatz von Antibiotika in industriellen Tierhaltungen. Wir brauchen einen besseren gesetzlichen Tierschutz im Stall und eine verpflichtende Kennzeichnung des Tierschutzniveaus auf jedem Fleischprodukt", forderte Benning. Verbraucher müssten die Chance erhalten, aktiv an der Kühltheke tierfreundliche bäuerliche Betriebe zu unterstützen, die in der Regel kaum Antibiotika benötigten.



Weitere Informationen:

Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL)

Antibiotikaresistenzen in der Wurst / Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu ESBL- und/oder AmpC-bildenden antibiotikaresistenten Keimen

Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Antibiotikaresistenz in Nutztierbeständen und Lebensmitteln - Ihre Bedeutung für die Humanmedizin und Handlungsoptionen für das Risikomanagement

Das könnte Sie interessieren
Social Media und der Einfluss auf die Gesundheitskompetenz weiter
Perspektiven für eine nachhaltigere Palmöl-Produktion weiter
COPLANT-Studie: Größte Studie zu pflanzenbasierter Ernährung im deutschsprachigen Raum... weiter
Ernährungspolitik weiter
Pflanzliche Speisefette und –öle. Teil 4: Palmöl weiter
Die Rolle der Ernährungstherapie in der Behandlung von Essstörungen weiter